Rastlose

Von Helmut Blepp

Wie reisten in cognito zu unbekannten Zielen
unsere Pässe waren so falsch wie unser Lächeln
wenn Zollbeamte unsere gebrauchte Wäsche
durchwühlten auf der Suche nach Elfenbein oder
kubanischen Zigarren oder chinesischen Potenzmitteln aus
Affenhirn und Tigerpenis

Unsere Leiber wurden visitiert bis in den Anus unsere
Mägen geröntgt an unseren Gebissen gerüttelt nur
unsere Köpfe blieben undurchsucht in jeder Windung
wären sie fündig geworden nicht Koks in Präservativen
nicht Schnipsel der Blauen Mauritius oder rohe Steine aus
den Minen Südafrikas oder Seltene Erden viel größere Schätze
blieben da unentdeckt viel größere Geheimnisse geheim
in unseren schiefgelegten Köpfen nackt vor der Macht
der Gesetze und ihrer grapschenden Vertreter

Wir standen an Vulkankratern und pissten Bäche
ins Lavagestein durch feuchte Dschungel hetzten wir verfolgt
von indigenen Völkern in deren Bäume wir harzige Gedichte
geritzt hatten wir rangen mit Fabelwesen der Neuzeit mit
Plastikmonstern und Autorobotern mit Alltagshelden und
Sonntagsrednern wir durchmaßen Wüsten und Meere immer
auf der Suche nach dem einen Kick um dann davonzukommen
über die nächstgelegene Grenze

Wir gerieten in hoffnungslose Gefangenschaften wurden
verhört bis aufs Blut als ausgemergelte Sklaven machten
wir uns die Hände schmutzig mussten in fiebrigen Sümpfen
Zeugen werden beim Häuten lebendiger Katzen mussten auf allen Ozeanen
Haie ohne Finne zurück ins Wasser werfen Bienenvölker vergasen
Wälder niederbrennen Berggipfel sprengen für
neue Skigebiete mit Helikopteranflug im Sonnenschein

Wir sind Davongekommene doch nichts verbindet uns
mehr mit denen die wir einst waren unsere Eltern sind tot
unsere Geschwister haben uns verleugnet als Staatsbürger
haben wir versagt Identitäten hatten wir so viele dass
wir uns selbst nicht mehr kennen wir ziehen
weiter durch Länder und Zeiten anonyme Schmuggler unserer
selbst nicht registriert nicht krankenversichert
nicht aufzuhalten

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© 2021 Helmut Blepp
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