Feuersbrunst daheim kein Widerhall

Von Sofie Morin

Anheimelnd wäre es, könnte sie sich darauf verlassen, dass die Wäsche noch feucht aufgehängt würde, daheim. Daran denkt sie, in der Straßenbahn, auf dem Nachhauseweg vom Nachtdienst, den sie immer noch so relevant wie geregelt systemisch versieht. In dieser Straßenbahn, die immer noch in ihren gewohnten Bahnen fährt, mehr als alles andere, das nun beschränkt ist wie der Ausgang für sie alle. Mehr als alles andere fährt diese Straßenbahn, in der sie sitzt, noch auf ihren Schienen, eine dieser alten Garnituren, und es war ihr nicht klar, dass es darin hallt, wenn der Wagen fast leer ist. Und so wie er nun ist, mit ihr darin, heimfahrend, und jedes Räuspern von den öffentlich nah verkehrenden Innenflächen widerhallend, wundert sie sich, dass und wie sehr sie das Ziel ihrer Reise ein Zuhause nennt, ja nennen muss, jetzt wo sie alle ohne Umweg dahin zurück sollen.

Die menschenleeren Straßen ziehen draußen vorbei, Wildtiere sind derweil in die Stadt gekommen. Im Park mag ein Fuchs gelassen durchs Gebüsch schnüren, doch zu Hause weiß sie das Kind rastlos und pulsierend im Urwald seines Jugendzimmers, unverschnürt. Das Kind, das keines mehr ist, soll das Heim, das ihm keines mehr ist, eine Weile nicht verlassen, es soll jetzt vorsorglich häuslich bleiben, um möglichst niemanden anzustecken. Doch das Kind will nicht vorsorgen, es will sich fort, will für nichts sorgen. Das Kind, das keinen Finger mehr für Gemeinsames rührt und mitnichten die Wäsche aufhängt, und daher, mehr noch als in seinem Zimmer, in ihrer Hoffnungslosigkeit haust, sagt, es fühle seine Rufe von diesen vier Wänden längst nicht mehr beantwortet. Im Dickicht, das es sich geschaffen hat, wundert das nicht, denkt sie unterhalb der eigenen Hörschwelle, denn sie darf ihrem Kind nichts mehr vordenken, versucht es seitwärts: Ist uns denn die Wildnis nicht allen nähergerückt dieser Tage?

In der Kastanie an der Straßenecke nistet seit letzter Woche ein Mäusebussard. Sein Ruf schallt durch die Wohngegend, während das brandgefährliche Kind zwischen unversorgten Wäschebergen schweigt. Zuletzt hatte sie einige Brände hinter dem Kind zu löschen, ungläubig und ahnungsvoll, es zündle unverdrossen weiter. In den vergangenen siebzehn Jahren hat es seinen eigenen Kopf entwickelt, Gedanken darin feuerfest kreisend. Etwas lodert immerzu. Seit die Feuersbrunst bei ihnen eingezogen ist, wünscht sie sich nur noch, der Funkenflug möge dem Kind helfen seinen Wirkungsort zu finden. Nötigenfalls weitab der Zivilisation, denkt sie, an der Haltestelle angekommen, da Metaphern wie Flammenzungen aus ihrem Haus lecken.

© 2021 Sofie Morin
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