Katzenmord

Von Anna B.

„Liebe Minka!

Ich komme mit einer schweren Aufgabe zu dir. Meine Mama hat mich darum gebeten, inständig und sehr ernst. Und ich habe ihr versprochen es zu erledigen, weil es einfach notwendig ist. Mama kann es nicht tun; aus verschiedenen Gründen und heute muss sie außerdem mit meinem Bruder nach Wien fahren. Die letzten Male hat das immer der Nachbar gemacht, der liegt aber im Spital, er hatte einen schweren Arbeitsunfall. Also bleibe ich übrig. Du hast heute Nacht vier kleine Kätzchen zur Welt gebracht und liegst jetzt in der warmen Kiste im Keller vor mir mit der Brut an deinen Zitzen. Ich hab dich schon öfter bei deinen Geburten beobachtet und jedes Mal hatte ich Mitleid mit dir, wenn du die Kleinen nicht behalten durftest. Wir haben drei Katzen und einen Kater. Der Kater wurde uns aus Wien geschenkt und ist kastriert. Ihr drei Mädchen seid uns zugelaufen und ich und mein Bruder haben dafür gesorgt, dass ihr da geblieben seid. Hier im Dorf werden die Katzen nicht kastriert, nur die Stiere. In der Umgebung gibt es viele wilde Kater, große Ungetüme, die Euch zwei Mal im Jahr besteigen, fürchterlich schreien, um Euch raufen und blutige Kämpfe ausfechten. Dann kriegt ihr dicke Bäuche und wir fragen in der Nachbarschaft, ob jemand ein oder zwei Kätzchen übernehmen will, wenn es so weit ist. Manchmal gelingt es uns und ihr seid dann einige Wochen liebevolle Mamas für wenigsten einen Teil Eures Nachwuchses. Der Rest muss so schnell wie möglich entsorgt werden. Das erledigt im Normalfall der Nachbar. Er tötet die frisch Geborenen mit einer Schaufel, er schlägt ihnen einfach die Köpfchen zu Brei. Es ist grausam, er sagt aber, das geht so schnell, dass die Kleinen gar nichts merken. Ich kann das nicht. Heute muss ich dir alle vier Kinder wegnehmen, niemand wollte ein Geschöpf deines Nachwuchses übernehmen. Ich werde dich im Keller einsperren, die Kleinen wegtragen und sie irgendwie töten. Ich hab von vielen Freundinnen gehört, dass bei ihnen der Katzennachwuchs ertränkt wird. Wir haben draußen im Garten eine volle Regentonne, dort werde ich es tun. Ich habe Angst und mir ist schlecht, aber ich habe versprochen es zu tun. Die Kleinen müssen weg, bevor sie die Augen aufmachen.“

Ich war ungefähr 12 Jahre alt, als ich diesen „Auftrag“ erledigen musste. Es war das einzige Mal und es war entsetzlich. Noch heute denke ich manchmal daran. Vor kurzem war ich im Theater. In einer Szene schildert ein junger Mann eine fast idente Geschichte und mir zitterten die Hände, die vor so vielen Jahren vier mausgroße frisch geborene Katzen so lange unter Wasser gehalten hatten, bis sie mausetot waren.

© 2021 Anna B.
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