Tagtraum (Marie)

Von Regine Wendt

Marie und der Wald sind Eins. Ihr hellgrünes Kleid, oder ist es doch weiß, mischt sich mit seinen Farben, nimmt sie auf, selbst ihre Haut schimmert grün im Morgenlicht, das durch die Pflanzenhülle fällt. Ein Weg führt tief hinein in die grüne Pracht, bald nur ein fast geahnter Pfad, begleitet vom Plätschern eines Baches, Wassermusik über Kiesel, Steine und urwüchsigen Farn gerollt. Marie strebt voran, ihre Füße in den leichten Sandalen über moosbewachsene Steine hinein in die Stille des Waldes, hier tief drinnen wo kaum ein Vogel singt. Ab und zu bildet der Bach braungrüne unergründliche Tümpel an deren Rand wilde Blumen blühen, goldlichtern im fangenden Dunkelgrün. Über allem die Stille, die nur dort herrscht, wo kaum ein Mensch hinkommt. Hier streift Marie ihre Kleidung ab, setzt sich meditativ auf das dichte Moos, sinkt ein, fächelt mit sanften Fingerkuppen ihre Brustspitzen, stimmt zärtlich ihren Körper auf die innere Melodie des magischen Ortes ein, gibt sich hin, löst sich in dieser Natur auf, verschmilzt. Im efeuumrankten, von schiefen Bäumen silbermoosig umkränzt, fast unsichtbar die Umrisse einer dunklen Gestalt.

Kira rüttelt mich forsch an der Schulter, hey, wo warst du, wach auf! Eine wilde Frau, kajalschwarze Augen sprühen, ein Piercing in ihren fast schwarzen Lippen, raspelkurz die schwarzen Haare. Laute Salsa Musik, super die Band hier im Körnerpark, jeden Sonntag kostenlos im Sommer, heiß, auch die Luft. Paare tanzen. Jan schaut mich amüsiert an, willst du tanzen? Als ich zögere greift ihn Lilli, noch ein Kuss von ihr, ihr voller Busen schwappt mir entgegen, wirklich ein großzügiges Dekolletee. Auch Marie ist fort in mir, hat sie gefunden was sie sucht, oder gibt sie sich nur dem Leben hin, dem Kommen und Gehen. Ich tauche ein in die Salsa Musik, in die Menschenmenge.

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