Nun, ich bin Mitte 50, der regelmäßige Besuch des Kosmetikstudios, des Friseurs und des Fitnessstudios verzögern das Altern zumindest optisch. Das Bad ist voll mit allerlei Tiegeln, Tuben und Cremen, die Wunder versprechen, aber wie die meisten Versprechen eben nur solche sind.
Mit meinem Leben bin ich soweit zufrieden, es verlief wie viele andere auch. Eltern, Schule, Matura, Studium (französische Literatur), Eisprung zur falschen Zeit oder umgekehrt änderten die Pläne. Hochzeit der Eltern wegen – ein Töchterchen kämpfte sich in die Welt und weiter, fast bis heute. Eine zweite Co-Produktion – ebenfalls eine Tochter – folgte etwas später. Der Co-Produzent war erfolgreich, kletterte die Karriereleiter hoch und damit von der Familie weg. Haushalt, Kinderpartys und Ähnliches. Kindererziehung statt Vorlesungen. Die materielle Zukunft war gut, die anderen Aussichten – Hausfrau – weniger bis trüb. Fertig studieren – ein paar Semester noch nachholen wäre der Wunsch gewesen. Die Beziehung zum Co-Produzenten wurde immer problematischer, er immer merkwürdiger. Er hatte eine Geliebte, aber nicht mit high heels, sondern sie nannte sich Arbeit. Der Wohlstand wuchs wie mein Körperumfang, irgendwie musste ich mein Leben wieder in Griff bekommen. Es war nicht nur die Askese von der Lust, sondern auch immer mehr vom Leben.
Die Töchter sind außer Haus und ich lebe in einer neuen Wohnung allein, kurz um, wir haben uns getrennt. Mit meinem Äußeren bin ich einigermaßen zufrieden, ein paar Bekanntschaften flüchtiger Natur und eine Ersterfahrung mit einer Frau. Glücklicherweise verschaffte mir ein Studienkollege einen Job in einem Verlag, ich verdiene sehr gut, Auto steht vor der Tür und sonst wie zu Beginn beschrieben.
Es war ein langer neuer Zwiekampf Ich gegen Ich, letztlich habe ich gewonnen, welches Ich es auch immer war, ich weiß es nicht. Ich will es auch gar nicht wissen. Ich fühle mich wohl, stehe nur nackt vor der Kamera und mir ist bewusst, ich bin keine 18. Aber das ist das Schöne – das Gefühl ich bin ich.
© 2021 Friedrich Unterweger
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