Von Anna B.
Vor einigen Nächten hatte ich seit langem wieder einen Traum, der mich noch heute beschäftigt.
Demnächst werde ich zu einer dreiwöchigen Kur zur Behandlung meines frisch eingebauten Hüftgelenks fahren. Diverse Vorbereitungen dazu waren notwendig und ich sehe den Wochen mit gemischten Gefühlen entgegen. Ängstlich wegen der vielen, vermutlich uninteressanten bis unsympathischen Menschen, hoffungsschwanger wegen der Möglichkeit, doch spannenden Frauen oder Männern an den Tischen und in den Wartezonen zu begegnen. Ängstlich auch wegen des möglichen Misserfolgs, eventueller Schmerzen und tristen Perspektiven, hoffnungsvoll aber auch wegen der doch gelingenden Rekonvaleszenz. Werde ich je wieder meine Längen im Schwimmbad schnell und wendig ziehen können? Werde ich je wieder im Wiener Wald Wanderungen machen können? Oder muss vielmehr auch noch die zweite Hüfte ausgewechselt werden? Eine totale Endprothese am rechten Kniegelenk ist vor einigen Jahren eingebaut worden, das Ergebnis ist nicht besonders zufriedenstellend.
Mit diesen Gedanken und Ängsten gehe ich derzeit zu Bett. Und dann träume ich eine Geschichte mit aufregenden, bedrückenden Bildern:
Mein Freund begleitet mich zum Kurort. Er trägt meinen Koffer. Ich sitze mit ihm im Zug. Am Ziel angelangt steige ich aus, ohne Koffer, ohne Freund. Ludwig schläft, ich möchte ihn nicht wecken. Kaum ausgestiegen, verschwindet der Bahnhof. Die Gegend verwandelt sich in Industrieruinen. Ich wandle zwischen zerfallenden Ziegelbauten, die an alte Lagerhäuser erinnern, umher und fühle mich vollkommen allein und verloren. Einige Leute gehen vereinzelt auf den Kieswegen und rostigen Gleisen, mit Aktentaschen und kleinen Koffern bewaffnet. Ich frage, wie ich zum Bahnhof komme. Niemand kann mir Auskunft geben. Ich denke, dass mein Freund auf mich dort wartet und sich Sorgen macht. Da sehe ich einen gut gekleideten, braungebrannten Mann, den ich als einen früheren Kollegen erkenne. Ich rufe ihm zu: Carlo, hallo was machst du da? Er antwortet, er hätte Urlaub und eine Wanderung gemacht. Ich frage auch ihn nach dem Bahnhof, er hat nur eine vage Ahnung und deutet in die Richtung, aus der ich gekommen war. Carlo war ein sehr umtriebiger, erfolgreicher, zielstrebiger Vertriebsmanager in der EDV-Firma, in der ich viele Jahre beschäftigt war. Er war auch sehr sportlich, ein göttlicher Skifahrer und Marathonläufer. Ich wunderte mich immer, woher sein Reichtum kam und die schöne Frau, die ihn manchmal abholte, traute mich aber nicht zu fragen. Im Traum war er plötzlich auch verschwunden und ich stand da, verlassen und verloren. Ich wachte auf. Mein Freund schlief neben mir, ich weckte ihn auf und fragte, ob er mit mir in den Kurort fahren will, damit ich mich dort orientieren kann. Wir könnten auch in eine Ausstellung und essen gehen. Das machten wir dann auch. Den Traum erzählte ich ihm nicht.
© 2021 Anna B.
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