Von Peter Lexa
18.12.01
Will einen Meldezettel, Trafiken gibt’s hier nicht, also wandere ich zum kombinierten Zeitungs-Tabak-Lebensmittelladen.
„Ich möchte bitte einen Meldezettel.“
„???“
„Einen Meldezettel bitte, zum Ummelden von einer Wohnung in die andere.“ Im Wissen, dass meine Aussprache durch Bart und Herkunft zu undeutlich ist, bemühe ich mich, die Zähne zu zeigen und ein unfreundlicheres Gesicht aufzusetzen. Auch bin ich mir nicht sicher, ob ein Meldezettel der lokal entsprechende Ausdruck für dieses Formular ist. „Ach wat! Ik hab ‚milde Zettel‘ verstanden, hamma nich, da müssen se zur Post gehen!“
Also kauf ich mir meine Zigaretten und die Wertkarte für’s Telephon, geh weiter zur Post, die auch keine Post ist, sondern eine Postagentur. – Hier wieder der gleiche Dialog, nur bin ich gewitzter und erkläre gleich, dass es um ein Formular geht.
Noch größeres Unverständnis; die nette, bemühte, ältere Dame will mich unbedingt ins Rathaus Köpenick zum Bürgerservice schicken, dass ich da etwas in meinen Pass eintragen lasse.
„Na wat denn“, denk‘ ich mir, mein Pass ist mir heilig. Da reitet wieder der ehemalige SED-Staat mit der Genossin durch. Also geb ich für’s erste auf und setz‘ mich in die S-Bahn, verzichte vorerst auf meinen Jägermeister und die Bockwurst und versuch mich weiter auf den graden Weg zur ordentlichen Anmeldung.
Beim Umsteigen in der Berliner Straße stolper ich fast über die letzte Treppenstufe, sogar die U-Bahn-Abgänge sind gegen mich. Abwarten, was der Adenauer Platz an Schrecken für mich bereit hält. Jetzt wird mein Sehnen nach dem zweiten Frühstück übermächtig, nur…am Adenauer Platz erwarte ich Schlimmstes. Wenigstens werd‘ ich hier im U-Bahn-Zug von einer singenden Kita-Gruppe unterhalten – absolut verständliches Deutsch! Bitte, Kinder, bleibt so, werdet nicht zu Germanen.
Der zweite Lichtblick: Beim Aussteigen Begegnungen mit schwarzhaarigen, duftenden Aphroditen. Jetzt auch noch Bratwurst mit Majosalat, beim Türken, der auch ‚Kartoffelpuver‘ anbietet. Beinahe Wiener Ambiente!
Jetzt hab ich’s geschafft! Ein freundlicher Berlina, vollständig ob seiner Seltenheit mit vollständiger Adresse zu erwähnen: Agfa-Geschäft am Kuhdamm Nr. 178. – Trotz honorig aussehender Kundschaft hörte er mir nicht nur zu, beschrieb mir den Weg zur ausfolgenden Stelle und wünschte mir auch noch einen schönen Tag!
Eine halbe Stunde später verfluche ich wieder beim Ausfüllen des Meldeformulars den Verfasser von Meldeformularen – aber das hat nichts mit Berlin zu tun, das ist überall so, fürchte ich.
© 2021 Peter Lexa
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