Von Monika Jarju
Allmählich wird es dunkel, neblig ist es auch. Da steht ein stattlicher Mann im Zwielicht. Er stapft durch den Schnee auf mich zu. Ein spannender, ein schöner Moment. Flocken tanzen in der Luft, in seinem Gesicht schmelzender Schnee. Nun steht er im fallenden Schnee vor mir. Er rührt sich nicht. Ob wir lange so stehenbleiben? Er streckt die Hand aus. „Tanzen wir?“ Ich lege die Hand auf seine Schulter. Eine Vierteldrehung, unsere Schritte knirschen. Ich wechsle die Richtung, verlangsame und beschleunige bei jedem sanften Druck. 1903 wurde er geboren, erzählt er. So alt, 95 Jahre, sieht er gar nicht aus. Das Schneetreiben lässt nach. Ich hatte vergessen, wie nahe man sich beim Tanzen kommt. Wie von außen sehe ich uns – ein elegant tanzendes Paar mitten im Schnee, in einer anderen Zeit. Das Schneetreiben setzt wieder ein.
© 2021 Monika Jarju
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