Mondlicht. Auf dem Rücken der Frau liegt Schnee

Von Regine Wendt

Mondlicht.

Auf dem Rücken der Frau liegt Schnee .

Ihre Arme wie Flügel ausgebreitet . Schwarzes Haar, ein leicht beflockter seidiger Fächer, verbirgt ihr Gesicht. Das weiße Kleid fast unsichtbar gepaart mit dem Schnee. Ihre Hände, leicht rosa, ein roter Rubin, fängt das Mondlicht, scheint leuchtend, scheinen zu streicheln.

Die Füße, kleine, feine, sind nackt. An den Fußsohlen, bläuliche, glitzernde Tropfen. Fluoreszierend im Mondlicht.

Auf dem Rücken der Frau liegt Schnee.

Ein tiefer, ewiger Schlaf im Schoß der weißen Nacht. Verwehte Spuren. Unberührtes. Jungfräulich.

Vom nahen See gefühlte Musik. Spährenklänge. Eisiges schwingt wie fein geschliffenes zerbrochenes Glas, das Atmen einer Geige, kosmisch verbunden. Ein behutsamer Windhauch lässt die Flocken in zarten Schleiern tanzen..

Auf dem Rücken der Frau liegt Schnee.

Weit die Fläche, weit und weiß, ein Hauch von Ewigkeit. In der Ferne geahnte Bäume, Schattenrisse .

Schnee. Auf dem Rücken der Frau der Schnee.

Als müsste ich mich auf etwas besinnen, aber ich weiß nicht was. In der kleinen Wunde bleckt ein flüssiges hässliches Rot, versetzt mit giftigem Grün. Pocht, kratzt, schmerzt. Eiter , winzige Pünktchen reizen das kühle Herz.

Tief verborgen im Schnee die Zeit, zeitlos. Tick, tack, tick tack, tick, tick… Nur atmen, nicht bewegen, sonst setzt sich diese kleine Amsel nieder.

Auf dem Rücken der Frau liegt Schnee.

© 2022 Regine Wendt
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