verreiste identität

Von Alexander Reisenbichler

eine geschichte aus nepal als die tiger noch pfeife rauchten

dichter auswurf

selberlebensreisebeschreibung

der herr des anfangs. ganesh. ein gehdicht sei ihm gewidmet. ganapati. vinayaka. in nepal wird er zu neujahr in einer saenfte getragen und huehnerblut wird auf ihn gespritzt. erdbeerrote muender auf weissen kurtas. nepal, das einstige einzige hinduistische koenigreich des einundzwanzig punkt jahrhunderts. bis maschinengewehre maoistische feuchte traeume aus dem weihbecken der geschichte fischten und es eine kleine familie in den norden nepals einen tigersprung von der tibetischen grenze entfernt verschlug. nawalpur hiess das dorf. prinzessin bhrikuti devi, nepalesische prinzessin die den tibetischen koenig srongtsen gampo heiratete, der den buddhismus in seinem heimatland heimisch machte, soll durch dieses dorf gezogen sein. der arniko rajmarg highway fuehrt heute noch von kathmandu an die tibetische grenze bis nach tibet.

auf einem feldweg der das krankenhaus in nawalpur mit dem naechsten dorf verband ohne leute verbinden zu koennen soll bhrikuti devi nach tibet gezogen anno dazumal im sieben punkt jahrhundert. das krankenhaus haette kandinsky an das bauhaus erinnert, es waere auch die perfekte kulisse fuer brecht gewesen. ein kunsthaus ohne installationen, nur humane anwesenheit heiterte die kahlen waende auf. in einem nebengebaeude waren meine frau meine tochter mein koerper in die weisse wand eintaetowiert wirtlich woertlich waldlich. kranke wurden in tragkoerben ueber bergkuppen in butten dem kranken hause zugefuehrt in der hoffnung. das muss reichen in armen laendern. medikamente waren verbal stoisch. an manchen tagen fuetterten maoistische kaempfer maobandi mit verbaenden die weissen waende. mit converse und museumsreifen gewehren dehnten sich diese koerperlich zum vedischen fruehstuecksyoga und territorial immer weiter aus. ob meine frau aus nordkorea waere. nein. aus suedkorea. dem kapitalistischen land. ja. nein. doch. oh. wir haetten keine kameras handys computers oder so aehnlich. nein. objektiv nicht im grammatikalischen singular. existentialistisch unbedarft.

die maoisten veranstalten einen streik. zehn tage. man wollte beweisen zeigen dass sie das land kontrollieren. die staedte einkreisen und austrocknen. alle geschaefte busse bussis zu. nichts darf sich bewegen. nichts.

krishna der shopbesitzer von nawalpur lud uns in sein dorf ein. vier kilo meter schwer und weit der fussmarsch militaerisch untermalt von oesterreichischen kopffick gedanken. occupation? no. this time for holiday. antwortete der deutsche dem polen. im wasserbueffelstall schliefen gerade und nicht schief meine frau unsere tochter mein koerper. die frische wasserbueffelmilch aus dem euter ohne pasteur. durchfall. chemisch durchgefallen. physikalisch fluessig durchgefallen. mit blut im stuhl unmoebliert nach hause nach nawalpur. zu pur diese milch.

aber es war ja streik. nein. doch. oh. auch die apotheke vinothek hatten zu. mein freund stimmte gesanglos zu. ich koenne den maoistischen sesselhocker oberst fragen. aber bitte hoeflich. selbstredend. meinte ich. klimax. klimakatastrophe. strophen ohne wiederholungen. oberst arbor capita meinte auf meine anfrage dass man opfer bringen muesse im kampf. mampf noch eine erdnuss in den mund geschnipst. aber antibiotika. bio das leben. meine tochter. nach dem zweiten lenin zitat beherzigte ich den rat der noch immer durch mein hirn radelte. hoeflichkeit. fick dich mit deinen spruechen. weisser als die wand und weiser wenn der naechste weisse tourist auftauchen wuerde wurde mein freund. ich scheiss auf ihre ideologie. da soll noch einmal jemand sagen ich waere nicht hoeflich gewesen. immerhin niemals nie geduzt. nun gut. wir gingen zur apotheke. meiner hoeflichkeit wegen. nahm ich an. und nahm dieses zwischenmenschliche geschenk an. doch in der apotheke ohne weisse waende waren nur braune bretter mit leeren regalen. leider nicht egal. kopfwehtabletten wurden mir angeboten. doch die haetten meinem kopfweh auch nicht helfen koennen geschweige stoisch verbalen hoffnungen meiner tochter.

es gaebe – . was soll man mit konjunktiven. – eine apotheke. den berg runter. keine metapher fuer meine gefuehle. mit dem namen des oberst wuerde man diese aufsperren. blockhuetten bauten sich gedanklich auf. nach fuenfhundert metern verlor ich den linken schlapfen nachdem ich meine linke ideologie schon davor verloren hatte. die unschuld sowieso. barfuss mit schwindendem untergrund und leninistischem untergrund und marxistischem ueberbau ging es bergab beghum akthar. sufistische einlage ohne schuhe von fred astair aus dem suedasiatischen nachbarland. auf dem weg in nirvanatraechtige doerfer mit schwangeren gedanken die im nachhinein abgetrieben wurden erfuhr ich dass auch diese apotheke ein buehnenbrechtiges unpraechtiges apothekenspektakel bieten wuerde. also weiter zum grenzfluss der das guerilla marillenland vom nepalesischen armeeland trennte. die bruecke nicht gefunden. keine metapher. watete ich erwartungsvoll durch den fluss. mit offenem mund so gross wie der der jona verschluckte sah mich der apotheker an. brille, fuenfhundert nepalesische rupien. was ich wohl wollen wuerde. antibiotika. nicht anti leben. fuer leben. er wuerde verstehen. gut. ja. doch. oh.

jetzt wie durch religioes unempfaengliche befleckte empfaengnis geisterlos mit brille, fuenfhundert nepalesische rupien und antibiotika ohne indisches tikka. ein ziviler militaer sprach mich an. flirtlos fluegellos verlangte er das reisedokument das ich nicht vorweisen konnte. dort hinauf wolle ich. nicht mit seide sondern mit wolle. ein konsternierter sternenhimmel himmelte mich nicht an. was ich dort wolle. eben seide. meine familie. am seidenen faden hing es jetzt. verhaften seide er mich, warum zum feind ueberlaufen. gehen wuerde nicht reichen. armes land. ohne mich ausweisen zu koennen muesse er mich verhaften und ich koenne meiner tochter nicht die antibiotika bringen.

fortsetzung folgt

diese geschichte beschreibt die reise meiner frau und unserer tochter in ein kleines dorf im norden von nepal im jahre 2005 waehrend des buergerkrieges. dieser distrikt war von den maoisten, den maobandi, besetzt. ich habe dieses dorf schon ein paar davor, im jahr 2001 besucht. das maedchen mit der rosaroten hose und der hellblauen jacke ist unsere tochter lea in nepal.

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© 2022 Alexander Reisenbichler
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