Jemand war zu weit gegangen

Von Monika Jarju

An dem Tag der Wohnungsbesichtigung geschah etwas Sonderbares. Die Vermieterin führte mich durch eine verwinkelte Wohnung. Ich folgte ihr durch vollgestopfte Zimmer und Flure, recht schnell verlor ich die Orientierung in den Räumen. Wir gelangten in eine winzige fensterlose, leere Küche. Ich würde Spüle und Herd kaufen müssen, überlegte ich einen Moment zu lange. Die Vermieterin war bereits weiter gegangen, ich hatte sie aus den Augen verloren. Eilig lief ich den Gang entlang, öffnete hier und da eine Tür und versuchte mir den Grundriss dieser unübersichtlichen Wohnung einzuprägen. Auf ein mit Möbeln und Hausrat zugestelltes Zimmer folgte eine geräumige Wohnküche. Noch eine Küche, wunderte ich mich, als die Vermieterin aus dem Bad trat. Die Wohnung gefiel mir nicht, ich begriff den Grundriss nicht. Der Gedanke hier einzuziehen erfüllte mich mit Unbehagen. Und in dem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Die Vermieterin öffnete, ein Paketbote stand mit einem großen flachen Paket da, behutsam legte er es vor mir auf dem Boden ab. Etwas rappelte im Karton. Das Paket war tatsächlich an mich adressiert, obwohl ich nichts bestellt hatte. Der Name des Versandhauses kam mir bekannt vor. Er passte zu der Internetadresse, die mir jemand gegeben hatte, als ich ihm von meiner erfolgslosen Wohnungssuche erzählte. Auf der Homepage blieb mein PC häufig hängen, auch wurde ich immer öfter auf diese Website umgeleitet. Wohnungsangebote fand ich jedoch dort nicht. Mir war mulmig, als ich vorsichtig an einer Ecke den Deckel anhob und in die Schachtel lugte. Unfassbar, ein lebendiges Lamm lag in der Kiste! Es zappelte. Überrumpelt drückte ich den Deckel wieder zu. Mein erster Gedanke beim Aufwachen war – und ich spürte Groll in mir aufsteigen – jemand hatte mich ausgetrickst.

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© 2022 Monika Jarju (Text und Foto)
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