Von Anna B.
Mit teils gemischten Gefühle erinnere mich an viele Urlaube auf griechischen Inseln. Es gab Zeiten, als die Strände noch fast leer waren, nirgendwo Liegen oder Schirme, einige Rucksacktouristen schliefen am Strand. Die Unterkünfte waren nicht gerade komfortabel. Die Toiletten wurden eher selten gereinigt, waren oft verstopft und nur mit einem Loch ausgestattet. Bei einem der ersten Aufenthalte auf Kreta frühstückten wir täglich in einem von Griechen und Touristen gleichermaßen gut besuchten alten Café. Der Wirt hatte gelernt, dass die Touristen gerne weiche Eier bestellen. Das griechische Frühstück besteht für die Griechen nur aus schwarzem Kaffee und einer Zigarette. Griechische Frauen sah ich nie im Café. Der Wirt bot um wenige Drachmen Joghurt mit Honig, Brot, Butter, Marmelade und eben auch Eier an. Ca. ein Dutzend Eier lagen in einem Topf mit heißem Wasser auf dem Herd. Bestellte man ein Ei, bekam man irgendeines aus dem Topf, es war entweder noch fast roh oder schon hart. Ein richtig weich gekochtes Ei war ein Glückstreffer. Bestellte man einen Ouzo wurde man aus dem Lokal gewunken. Alkohol gibt es erst am Nachmittag. Am Abend wurde die Hauptstraße für Autos gesperrt, Tische und Sesseln für die Besucher wurden vorbereitet. In den Küchen konnte man die wenigen Gerichte – meist in Öl schwimmend – einsehen und auswählen. Zu trinken gab es Retsina und Wasser. Vielleicht auch Mythos Bier.
Damals fuhr ich oft mit meinem Mann auf dem Motorrad durch die Gegend. Man konnte einfache Fahrzeuge recht günstig mieten. Ich klammerte mich etwas ängstlich an ihn, nach wenigen Kilometern begann mir der Arsch weh zu tun. Nach einer Stunde brauchte ich eine Pause. Manchmal kamen uns Schafherden oder Ziegen entgegen und wir mussten warten, bis das liebe Vieh den Weg wieder frei gab. Den Geruch habe ich heute noch in der Nase. Wir liebten diese Fahrten, je nach Jahreszeit pflückten wir Orangen, Feigen oder Weintrauben als Wegzehrung. Manchmal nahmen wir einen öffentlichen Bus und ließen uns über Serpentinen in die Bergdörfer fahren. Enge Straßen, abenteuerliche Manöver mit klapprigen Fahrzeugen. Ich bewunderte die Chauffeure. Der Rückspiegel über dem Fahrersitz war immer mit diversen Devotionalien behangen. Griechische Schnulzen erfüllten den Bus. Der Fahrer blieb stehen, wenn jemand am Straßenrand winkte, sichtbare Haltestellen gab es nur wenige.
Heuer war ich nach einigen Jahre Pause wieder in Griechenland, in einem Touristennest. Unglaublich viele Österreicher tummeln sich dort herum. Der Strand ist auf einigen hundert Metern mit Liegen und Schirmen ausgestattet. Die ganze Stadt ist voll von Bars, Cafés und Restaurants und Hotels aller Art. Ich erkannte kaum mehr etwas wieder.
Die Atmosphäre ist aber immer noch sehr angenehm. Die Leute sind freundlich, unaufgeregt und nicht aufdringlich. Das Essen schmeckt meist wunderbar und schwimmt selten in Fett. Völlig neu waren für mich die herrlichen Weißweine. In einem Lokal bekamen wir sogar Pilsner Bier. Ein Restaurant mit dem Namen Palm Tree zeigte uns zwei Gesichter. Tagsüber waren die Tische mit vielen Griechen besetzt, die lautstark und lachend gemeinsam aßen, tranken und rauchten. Wir fühlten uns sehr wohl, wurden von einer jungen Frau freundlich bedient und wollten einmal am Abend dort essen. Wir wurden mit gedeckten Tischen überrascht und mit den Worten „Have you made a reservation?“ begrüßt. Nein, hatten wir nicht, durften uns aber trotzdem niederlassen. Ein Ober im weißen Hemd kam mit zwei Kuverts an den Tisch, für jeden eines, darin befand sich eine auf teurem Papier gedruckte englische Speisekarte. Wir nahmen zwei kleine Speisen und tranken einige Gläser Wein. Palm Tree sah uns nie wieder. Wir fanden einige Lokale, die an die Gemütlichkeit von früher erinnerten und heute mit sauberen WCs und Waschgelegenheiten ausgestattet sind.
Zwei Dinge habe ich besonders vermisst. Erstens die Sterne. Die Unsitte, die Straßen in der Nacht voll zu beleuchten und die vielen Lichter vor den Hotels und Lokalen, die bis spät in die Nacht Gäste bewirten und betreuen, lassen den Himmel wie eine riesige graue Glatze mit blassgelben Punkten erscheinen. Ich hatte mich so auf den strahlenden Sternenhimmel gefreut. Wir sind auch einige Male mit dem Bus durch die Gegend gefahren, die Orte sind verwaist und Schafe oder Ziegen sieht man nur vereinzelt in abgezäunten Gärten. Um Sterne und Ziegen zu sehen, fährt man besser wo anders hin. Die Idylle von früher hat sich klarerweise gewandelt, die Griechen wollen auch nicht in der Steinzeit hängen bleiben, aber der Tourismus hat vieles zerstört. Trotzdem liebe ich das Land immer noch.
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© 2022 Anna B.
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