Von Andreas Rüdig
Der Deutsche Verein für mögliche Alternativwelten lädt für den morgigen Donnerstag zu einem Vortrag ein. Arvid Freiherr vom Samland geht der Frage nach: „Ist die Erde ein Würfel?“ Ort des Geschehens wird das Institut für Exogeologie an der Alternativwissenschaftlichen Universität in Mönchengladbach sein.
Freiherr vom Samland? Freiherr vom Samland? Ist das dieser landadelige Hochstapler aus Ostpreußen, der mit dem Verkauf von Bernstein ein Vermögen gemacht hat? Genau derselbe.
„Ich habe mich lange Zeit mit der Theorie der flachen Erde beschäftigt,“ führt der Ostpreuße in die Thematik ein. „Der zufolge hat die Erde ja eine flache und kreisförmige Gestalt. Ihre Größte hat die des alten Römischen Reiches (einschließlich des damaligen Germaniens und des Slawenreiches bis zum Ural). Die Erde war von einer Mauer umgeben, so daß die Meere nicht auslaufen konnten, weil das Wasser – wie in einem Schwimmbecken – an seinem natürlichen Ursprungsort gehalten wurde.
Die Erde, wie wir sie heute kennen, gilt bei den Flachwelttheoretikern als phantasievolles Hologrammprodukt,“ führt vom Samland in seinen geistig-beruflichen Lebenslauf ein. „Papperlapapp,“ schob er damals alle Widerrede konsequent beiseite. „China, Amerika, und all´ die anderen Länder waren damals reine Phantasieprodukte für mich.“
Ein Umdenken begann, als der Zauberwürfel in den `80er Jahren aufkam und zeitweise sehr beliebt war. Man kann ihn drehen und so neue Farbkombinationen zusammenstellen. Man kann mehrere Zauberwürfel nebeneinanderlegen und so den Eindruck erwecken, daß es beispielsweise eine größere Fläche gibt oder der Würfel in die Höhe wächst.
Und dann ist da ja noch das Bernstein. Manchmal sind Insekten eingeschlossen, manchmal Blätter und andere Pflanzenteile.
Irgendwann begab sich der Freiherr vom Samland auf Reisen. „Mir war erzählt worden, daß die gute, alte Seidenstraße eine Wiedergeburt erlebt, zwar von Singapur gefördert, aber immerhin. Also machte ich mich auf die Suche nach neuen Handelswaren – Seide aus China, Gebetsmühlen aus Tibet, fliegenden Teppichen aus Persien (hahaha, kleiner Scherz), Windhunden aus Afghanistan, Diamanten aus Usbekistan oder Porzellan – Fayencen aus Tadschikistan – Sie wissen schon, was die Leute so mögen und kaufen.“
Dann kam der (selbsternannte?) Freiherr nach Samakand. Wie der Zufall es wollte, bot ihm dort ein zweifelhafter Händler Schmuck mit geschliffenen Steinen an. „Das meiste davon war kitschiger Modeschmuck, billig und unverkäuflich,“ so die Einschätzung des Profis. Ein paar noch nicht geschliffene hühnereigroße Steine erregten aber seine Aufmerksamkeit. „Bernstein? In Zentralasien? Im Kaukasus? Ist das möglich?“ fragte sich der umtriebige Mann. Die Antwort überraschte ihn: „Ach, nein, mitnichten ist das Bernstein. Das ist Kitt aus den Scharnieren der Welt.“
Davon hatte der Freiherr vom Samland noch nie gehört. Die Erde sei ein Würfel, wurde ihm bedeutet. Klappstellen zum Zusammenfalten gebe es in allen Hochgebirgen der Welt, den Alpen, Anden, dem Himalaya und eben auch im Kaukasus.
Die Ecken dieses Würfels sind abgerundet und somit nicht spürbar. Die Vorteile des Würfels? Man kann immer geradeaus gehen und umrundet trotzdem die Welt. Man kann Erdteile und Weltmeere je nach Belieben miteinander kombinieren. Und, noch wichtiger: Man kann Äther- und Parallelwelten aneinanderreihen und die Grenzen problemlos passieren. Platz genug dafür ist ja im Weltall.
Die nächste Geschäftsidee von Samlands war geboren: „Stellen Sie sich vor, Sie möchten Urlaub machen, kennen aber schon die ganze Welt und wissen nicht, wohin. Mit meiner Hilfe können Sie Parallel- sowie Alternativwelten kennenlernen, ausspannen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes Ihren Horizont erweitern.“
In der Literatur, Religion, Philosophie und politischen Utopie ist es einfach, von anderen, besseren Welten zu träumen und davon zu reden. Doch wie sie im wirklichen Leben beweisen? „Das geht ganz einfach, wenn wir uns auf eine andere Naturwissenschaft einlassen, auch wenn wir sie momentan noch nicht beweisen können,“ ist sich der Freiherr sicher. „Ein Yeti ist auch in den südamerikanischen Anden und im Hochgebirge des Kaukasus möglich. Und die Chemiker sollen sich mal mehr Mühe geben, dann finden sie auch mehr Anti-Materie.“
Welche anderen kruden Ideen der Adelige sonst noch vertritt, soll an dieser Stelle nicht vertreten werden. Sie, liebe Leser, sollen ja zu dem Vortrag kommen. Er beginnt um 18.30 Uhr im Audimax.
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