FRIENDS NOT FOOD

Von Claudia Dvoracek-Iby

Du siehst ihn an, nur kurz, wie er, verschwitzt zwischen der Mischmaschine und dem Thomas stehend, in die Leberkässemmel beißt, wie er schnell kaut, wie er mit Bier hinunterspült, siehst sekundenlang auf sein Uralt-T-Shirt mit der Aufschrift FRIENDS NOT FOOD, schwarz auf weiß steht es da geschrieben, siehst schnell wieder weg, weißt aber, die paar Momente haben gereicht, dies wird zu einem jener Bilder, die immer wieder auftauchen, unvermutet, es wird auftauchen, während du euer Baby stillst, oder während du mit der Anna joggst, und so tust, als ob du ihr zuhörst, wenn sie sich wieder beklagt über den Thomas, ihren Mann, über jenen Thomas, der grad ebenfalls eine Leberkässemmel verschlingt und Bier trinkt, der Thomas, von dem er jetzt immer wieder anerkennend sagt, auf den Thomas ist Verlass, der kennt sich aus beim Hausbau, der Thomas, über den ihr gelästert habt, noch vor kurzem, über ihn und über seine Anna, kleinkariert seien die beiden, ward ihr euch einig, nicht fähig, über den Tellerrand zu schauen – und jetzt fachsimpelt er mit dem Thomas neben der Mischmaschine, und du bemerkst, dass quer über dem END auf dem FRIENDS NOT FOOD-Schriftzug ein Riss ist, und denkst, damals ist es neu und sauber gewesen, das Shirt, auf der Demo, die quasi der Beginn war von euch beiden, FRIENDS NOT FOOD auf Transparenten, Flyer und Shirts, FRIENDS NOT FOOD habt ihr geschrien und, ja, auch gelebt, und was einst ein Statement war, trägt er jetzt nicht mal als Scherz, sondern aus dem simplen Grund, weil es noch zwei-dreimal zum Arbeiten taugt, bevor es entsorgt werden wird, das T-Shirt, und jetzt sagt er, so, wir müssen weitermachen mit dem Betonieren, das muss schnell gehen in der Hitze, und du nickst verständnisvoll, und innerlich steigt Wut in dir auf beim Weggehen, denn würde er das FRIENDS NOT FOOD T-Shirt nicht tragen, hättest du diese piekenden Gedanken jetzt nicht, und du würdest auch bestimmt nicht etwas golden glänzen sehen in dieser zähen, schweren Zement-Sand-Wasser-Masse da drinnen in der Mischmaschine, und würdest nicht derart Unsinniges denken wie: Da erstickt grad einiges da drinnen, da erstickt grad unser goldener Wohnwagen-Traum, wir wollten doch reisen, wir zwei, und dort bleiben, wo es uns gefällt, und würdest nicht denken müssen, dass diese erstickten, einbetonierten Träume das Fundament eures Hauses bilden werden, auf dem zuerst der Keller entsteht, in dem ihr, davon gehst du aus, die sogenannten Leichen verstecken werdet, und du hoffst inständig, dass du und er gemeinsam eure gemeinsamen Leichen versteckt, und nicht jeder für sich allein seine eigenen Leichen vor dem anderen versteckt, so wie es der Thomas und die Anna tun, und du setzt dich in dein Auto, schnell, denn die Anna wartet schon im Fitnessstudio auf dich, die Anna, die zwar nicht verstehen wird, aber immerhin so tun wird, als ob sie dir zuhört, wenn du ihr erzählst, wie sehr du dich ärgerst über ihn, denn es ist ja auch zu blöd, hätte er das FRIENDS NOT FOOD T-Shirt heute nicht angezogen, dann würde dir jetzt sicher nicht auffallen, dass du heute das rosa SUPERGIRL Top anhast und dass du derartiges nie getragen hättest in Demo-Zeiten, und du startest, und wirfst noch einen bösen Blick zu ihm auf die Baustelle, und siehst, wie er sich den Schweiß abwischt, sich das FRIENDS NOT FOOD T-Shirt auszieht, es achtlos unter die Mischmaschine wirft und nun wie der Thomas mit nacktem Oberkörper schaufelt, und du atmest tief ein und aus, und hupst langgezogen, als du staubaufwirbelnd wendest, Gas gibst und wegfährst.

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