Von Felicia Rüdig
Von meiner (Ehe-)Frau Josefine einmal abgesehen sind Wilhelmine und Ernestine die wichtigsten Frauen in meinem Leben.
Wilhelmine ist meine Großmama, Ernestine meine Mutter, müssen Sie wissen. Sie sind alle großartige Menschen, klug, weise, selbstbewußt und vor allem: naturheilkundlich gebildet und mit alternativweltlichem Wissen ausgestattet.
Großmutter hat sich auf Rollkuren spezialisiert. Die Rollkur ist ja bekanntlich eine uralte Behandlungsmethode. Damit soll ein Arzneimittel gleichmäßig im Magen verteilt werden. Das funktioniert natürlich nur mit flüssigen bzw. breiigen Medikamenten, die für einen nüchternen Magen bestimmt sind. Der Patient roll sich in bestimmten Zeitabständen auf einem harten Boden auf den Rücken, Brust und beide Seitenlagen. So soll das Medikament gleichmäßig auf die ganze Schleimhaus verteilt werden. Aber das wissen Sie ja alles, liebe Leser. Das brauche ich Ihnen ja nicht extra zuu sagen.
Soweit ich mich erinnere, hat Oma fast immer Tees an ihre Kunden verabreicht. „Die kann man immer und überall trinken,“ soll sie gesagt haben. Nur Eistee (den gab es damals noch nicht, er wäre für ihren Geschmack auch zu süß gewesen) und Ceylon – Tee gab es bei ihr nicht – „schwarzer Tee reizt nur die Schleimhäute und ist dank des Teeins viel zu aufregend,“ soll sie gesagt haben.
Ihr Kräutergarten soll alle möglichen Heilkräuter enthalten haben – Kamille, Hibiskus, Bambus (für grünen Tee), Brennessel, Fenchel und Malve nennt Tante Gerhardine immer als Beispiele
Glaubt man der Sekundärliteratur, gilt das Handauflegen als eine der ältesten Behandlungsmethodne der Menschheit. Die Hände werden dabei nicht bewegt, sondern ruhen für kurze Zeit, meist wenige Minuten, auf den ausgewälten Körperbereichen. Neben der Wärme wirkt Handauflegen beruhigend. Esoterische Erklärungsversuche behaupten, daß von auserwählten Menschen nicht näher bestimmbare „Energieströme“ ausgehen. Körperliche Berührungen können bei Krebspatienten Angstzustände, Schmerzen und Erschöpfung lindern.
„Wieso hat Mama dieses Erbe von Oma eigentlich nicht weitergeführt?“ habe ich Tante Gerhardine einmal gefragt. „Wieso hat sie sich für das Handauflegen entschieden?“
Tante Gerhardine mußte erst einmal ein paar Minuten nachdenken, bevor sie eine Antwort geben konnte. „Ja, weißt du, da Finchen war in ihrer Jugend sehr spirituell veranlagt,“ blickte sie dann zurück. „Sie war daher sehr offen für alternativmedizinische Heilverfahren. in gewissen esoterisch-okkulten Kreisen hatte sie damit sehr großen Erfolg. Erst als diese Welle abebbte, mußte sie sich anderen Heilmethoden zuwenden.“ – „So? Welchen denn?“ – „Ach, du kennst doch Ernestine. Sie war nie gradlinig. Mal war es die Kneipp-Kur, mal Entspannungsübungen, dann wieder Schrei- und Brülltechniken und zuletzt therapeutisches Tauchen.“ Therapeutisches Tauchen? Da habe ich ja noch nie von gehört! „Kein Wunder,“ antwortete Tante Gerhardine. „Das gibt es ja auch nicht.“ Kein Wunder, daß Mutte keinen Erfolg damit hatte.
Was meine heißtgeliebte Frau Josefine damit zu tun hat? Sie hat sich für die wissenschaftliche Laufbahn entschieden, nicht so sehr für die klassische Schulmedizin, sondern eher für alternative Heilmethoden. Die Homöopathie ist ihr zu langweilig; „sie erinnert mich an die Chemie in der Schule,“ behauptet sie immer.
Das Schröpfen als eine der ältesten medizinischen Behandlungstechniken der Menschheitsgeschichte ist ihr Leib-und-Magen-Lieblingsthema. „Ich möchte einfach nur herausfinden, ob und wie es wirkt,“ erzählt sie. Und hat wohl auch schon Forschungsgelder beim Bundesministerium für den universitären Wissenserwerb bewilligt bekommen.
Die Deutsche Vereinigung für Kamillentee ist im niederrheinischen Kranenburg ansässig. „Der Standort ist einfach nur genial,“ wie Hans-Hubert „Berti“ Osselbergskamp in das Thema einführt. „Die Leute hier in der Region trinken gerne Tee. Und die Anbaubedingungen für die Kamille (als Pflanze) ist auf unseren riesigen Pflanzen ideal.“
Es gebe auch eine Ärztin, die viele ihrer Patienten regelmäßig Kamillentee tringen läßt. Bei Erkältungen, Blähungen oder Magenschleimhautentzündungen beispielsweise.
Bertie: „Aus der Alternativmedizin sind ja die Rollkuren bekannt. Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen müssen i. d. R. rollkuren, damit der nervöse Magen auch etwas von der Medizin hat.“
Bei den Krankenkassen sei schon der Antrag gestellt, daß der Kamillentee als Medikament zugelassen wird und in Apotheken erhältlich ist.
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