Von Pawel Markiewicz
Personen:
Mary – Tochter des Totengräbers
Eddy – der Totengräber
Geist – spukt als der Friedhofsgeist
Claudin – Sohn des Hundefängers
Camila – Drogenabhängige, inhaftiert
Ted – Wächter in der Justizanstalt
Mirca – örtliche Trinkerin, verurteilt
Grazina – Mörderin ihres Ehegatten durch Messerstiche, verurteilt
Der 1. Aufzug/ Auf dem Friedhof
Die Szenerie des alten Friedhofs, nach einer Bestattung, regnerisches Wetter, später Herbst, auf einem alten bemoosten Grabstein ruhen Krähen, es ist windig.
Eddy: Die Bestattung ist laut Sitten erledigt. Alles in Ordnung!
Mary: Ich bin wie immer froh, dass du, lieber Vater, ein super
Bestattungsinstitut als eine offene Gesellschaft führst.
Eddy: Hast du, Mary, gestern Särge aus der Fabrik: „Die Totenfeier GmbH“ per Internet bestellt?
Mary: Um Himmels willen. Ich habe vergessen, weil ich einen Horror über eine mutwillige Brandstiftung durch Zombies bis in die Mitternacht ferngesehen habe.
Eddy: Ich muss nach Hause gehen, um eine neue Geschäftsordnung der Firma zu schreiben.
Mary: Ich werde auf einem Grabstein sitzen und das Buch mit goldenen Schriftzeichen durchlesen, das mir die Uroma von Todes wegen vermacht hat, weil sie völlig testierfähig gewesen war.
Der Vater geht ab, der Friedhof ist menschenleer, bald spukt der Geist.
Geist: Ich bin der grausame Geist. Ich war ein Sohn des örtlichen Buttels. Ich wurde im 17 Jh. wegen des Hochverrats und der Zuhälterei verhaftet, verurteilt und hingerichtet.
Mary: Schönen guten Tag! Ich mag Gespenster und Geister aller Art, weil ich die Tochter des Leichengräbers bin, der einen staatlich anerkannten Beruf ausübt.
Geist: Willst du eine Totengräberin sein?
Mary: Nein oder ja, ich werde nach dem Abitur eine Laufbahn der Urkundsbeamtin antreten. Hieraufhin werde ich eine Alleinerbin nach meinem Vater sein, also: das Unternehmen wird mein sein!
Geist: Ich habe einen Vorschlag dir gegenüber. Ich werde Dir ein Geheimnis der Toten enthüllen, und zwar: unter dem Grab Nr. 13 gibt es eine Kette mit zehn Diamanten im Sarg beim Skelett der Fürstin Johanna. Du kannst die Kette holen. Ich gebe dir etwas…
Der böse Geist zauberte die Schaufel hervor.
Geist: Dank der Schaufel kannst du das Fürstingrab ausgraben.
Mary: Verschwinde du Böser! Geh von dannen! Ich werde nie Vorschlägen des ehemaligen Zuhälters und Verräters folgen!
Der Geist ist verschwunden. Mary sagt zu sich allein:
Mary: Ehrlich gesagt brauche ich diese Diamanten sehr. Ich könnte dank denen meinen Kindertraum verwirklichen, d.h. eine auf die Herstellung der Leichnamskleider spezializiserte Firma AG oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit einem soliden Grundkapital gründen. Ich könnte obendrein meinen Vater finanziell unterstützen, der eine Geschäftsstelle seiner Firma in Siebenbürgen, nebst dem Wohnort des Erbonkels Dracula, errichten will.
Mary hat das Grab durchwühlt und hat die diamantene Kette aus dem Sarg vom Graben genommen. Sie sieht sich sie an.
Schlagartig tritt ein Junge, Claudin, Sohn des Hundefängers in Erscheinung.
Claudin: Ich habe alles gesehen und durch die Kamera aufgenommen!!!
Ich habe mich hinter einer Friedhofseiche verborgen.
Mary: Was denn?
Claudin: Ihr Delikt. Sie haben die Kette aus dem Grab herausgenommen. Das ist verboten und scheint als Leichenraub angesehen zu werden. Sie werden straffällig, weil ich bei der Polizei eine Strafanzeige erstatten werde.
Mary: Das ist mir ganz egal. Aber was machst du, junger Mensch, alleine auf dem Friedhof?
Claudin: Ich schreibe Gedichte auf dem Friedhof. Die Friedhofsstimmung inspiriert mich schlechthin.
Der 2. Aufzug/ Während der Untersuchungshaft
Das halb lichte Raum in der Justizvollzugsanstalt, an Wänden hängen
die im Rahmen der Sozialen Arbeit von Häftlingen gemalten Landstrichszenen.
Camila: Es freut mich, dass ich dich kennenlerne.
Mary: Ebenfalls!
Camila: Ich sitze im Knast, weil mir ein Delikt anhand des § 29 des Betäubungsmittelgesetzes vorgeworfen worden ist, was kein Bagatelldelikt ist. Ich habe illegale Pflanzen als Drogenmittel angebaut. Der Haftrichter hat meine Untersuchungshaft für drei Monate angeordnet.
Mary: Meine Haft ist mit der Verletzung der Totenruhe verbunden und wurde
um meines Alters willen erzieherisch gestaltet. Der Richter hat die UH für vier Monate angeordnet.
Camila: Was magst du in deiner Freizeit machen?
Mary: Ich sehe Horrors fern. Am liebsten gefiel mir der Horror von Wes Craven: „People under stairs“.
Camila: Der klasse Film. Ich habe auch ferngesehen. Ich bevorzuge „Alptraum in der Ulmenstraße“. Wenn Freddy Krueger leben würde, würde ich ihn sicher heiraten.
Mary: Pfui!
Camila: Und warum hast du dein Haar im Schwarz?
Mary: Weil ich die Dame vom Film „Addams Family“ immer nachahmen will.
Und warum bist du eine Blondine?
Camila: Die Blondinen haben ein leichtes Leben. Einfach so. Sprechen wir besser von klugen Themen.
Mary: Ich stimme dem zu.
Camila: Was hältst du von der Rechtsphilosophie?
Mary: Das ist eine bildschöne Disziplin, weil die Billigkeit darin herrscht. Die Billigkeit des Geistes verursacht eben die Unterdisziplinen der Rechtsphilosophie, wie Ontologie des Rechts, Logik des Rechts, Ethik des Rechts. Bei jeder Teildiszoplin herrscht ein Untergeist des Rechts, der auch in Gesetzen widergespiegelt werden kann. De Geist der Rechtsphilosophie durchdringt Gesetze und ein ungeschriebenes Recht, wie ein Sittenrecht ganz und gar. Einfach so. Wie ist deine Meinung über das lyrische Recht?
Camila: Dieses Recht kann aus der Rechtsphilosophie hergeleitet werden und entnommen werden. In jedem Gedicht kann man Sachverhalt, Tatbestand oder Urteil verfassen. Durch die Poesie wird das Recht vergeistigt. Die Verrechtlichung der Lyrik ist das allerschönste Phänomen.
Nach einer Weile.
Mary: Ich brauche Papier, weil ich einen Brief an den Vati schreiben will. Darf ich es bekommen?
Ted: Richtig. Kraft des Gesetzes haben Sie das Anrecht auf einen unbeschränkten schriftlichen Verkehr mit der Außenwelt.
Der Wächter Ted nimmt das Papier aus dem Schrank im Flur.
Der 3. Aufzug/ In der Justizanstalt
Nach der Urteilsfällung, kraft dessen Mary zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist, der erste Tag des Verbüßens.
Mary: Ich heiße Mary und bin ich hier der Leichenruhenverletzung halber.
Mirca: Ich bin Miroslava und bin wegen der Tötung meines Lebenspartners Miroslav verurteilt worden. Ich habe meinen Betrunkenen einfach vergiftet. Ich bin eben die Trinkerin. Hinter schwedischen Gardinen sitze ich nun seit zwei Jahren.
Grazina: Wenn es sich um mich handelt, so habe ich meinen Ehegatten durch mehrere Messerstiche getötet. Das Messer ist mein Lieblingsgegenstand. Jetzt muss ich noch zehn Jahre hier im Knast meine Schuld abbüßen.
Mary: Sprechen wir von unseren Hobbys. Ich hatte einen Cockerspaniel zu Hause, der sich Kumpan nennt. Das war mein Freund. Ich mochte mit ihm spazieren gehen und ich gab ihm die Gefügelleberchen jeden Abend zum Fressen. Mein Vater betreut den Hund jetzt bei meiner Abwesenheit. Nun beschäftige ich mich mit dem Abfassen von Gedichten über vielerlei Leichname.
Mirca: Ich hatte ein Ruder von Katzen im Hof meines Hauses. Sie miauten
immerfort und waren total wild, weil sie stets mir entkamen, immer wenn ich sie zu berühren suchte. Ich habe jedoch all die Katzen vergiftet, weil sie viel zu viel kosteten. Heutzutage befasse ich mich mit dem Schreiben von kleinen Dramen.
Grazina: Ich hatte keine Tiere zu Hause. Mein Steckenpferd ist das Tarot. Ich mag sehr wahrsagen. Mirca! Ich habe deine Dramen gelesen. Sie sind nichts wert, weil du eine aufgedonnerte Tussi bist? Wenn ich ein Messer hätte, würde ich es gegen dich benutzen.
Mirca: Und du bist, Grazina, eine Schurkin!
Katharsis unter der zeusschen Sonne/ im Gefängnishof, der Chor bestehend aus: Mary, Mirca, Grazina
singt dreimal das Justizanstaltslied, was folgt:
mein Traum vor engelsgleicher Strafaussetzung
selbstverständlich zur bildschönen Bewährung
oder der Traum von einer schönen Haftbefreiung
schlummern in mir
und dösen unendlich sanft in dir
Temida ist nicht blind
der Staatsanwalt führt mich vor Gericht
der Anstifter führte mich einst hinters Licht
Verbeugung aller vor dem Publikum
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© 2022 Pawel Markiewicz
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