Invokation

Von Andreas Rüdig

Die Invokation ist ein Fachbegriff aus der Magie. Der Invokator meint, ein Geistwesen herbeirufen zu können. Invokation im engeren Sinne meint das Hineinrufen ist den Körper und die Psyche des Invokatoren. Das Gegenteil der Invokation ist die Evokation. Das Geistwesen wird dabei außerhalb des Invokators beschworen.

Gemäß der okkultistischen Theorie soll nur eine Hineinrufung von Wesen stattfinden, die dem Magier wohlgesinnt sind. Die Invokation kann von einfachen Formen, wie der Konzentration auf eine Visulisation oder ein Gebet zu dem entsprechenden Geistwesen, bis zu höheren Formen, wie der Annahme von Gottformen, reichen.

Religionsphänomenologisch bezeichnet die Invokation die Anrufung einer höheren Macht. Invokation ist eine Glaubensannahme. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die herbeigerufenen Wesen nicht real sind, sondern lediglich in der Vorstellung des „Magiers“ existieren.

„Zu welchem Geistwesen möchten Sie denn Kontakt haben?“ Diese Frage stellt Balthasar öfters; er ist einer der wenigen praktizierenden Invokatoren am Niederrhein. Er hat seinen „Laden“ in Wachtendonk. Angenehm warm ist es in dem „Geschäftsraum“. Helle, warme Farben gibt es in dem „Geschäftsraum“, und plüschige Einrichtungsgegenstände. Die Kunden (es sind zumeist Frauen) sitzen regelmäßig in einem entsprechendem Sessel.

Interessant ist eher der Vorraum. Hier versucht Balthasar herauszufinden, mit wem die Kundin Kontakt aufnehmen möchte – den (Groß-)Eltern, dem verstorbenen Ehemann, evtl. einer Gottheit.

„Ich hatte mal eine Kundin aus Ceylon. Die wollte Kontakt zu einer unbekannten hinduistischen Gottheit aufnehmen. Ich habe in meinem Besprechungsraum viele Abbildungen von Gottheiten. Einen Menschenkörper mit Nilpferdkopf aber nicht. Den mußte sie mir erst aufzeichnen.“

Auch bei Ottokar gab es Probleme. Er vermißte seine Domina sehr. Ich sollte sie im Reich der Toten, in der Unterwelt für ihn suchen. Ich fand tatsächlich mehrere sehr dominante und herrisch wirkende Damen, die einen Ottokar kannten. Eine wollte ihn sogar verprügeln – er sei zu oft mit seiner eigenen Ehefrau fremdgegangen und habe sie, die Domina, vernachlässigt.

Am liebsten sei ihm Franz Josef. Er ist ein katholischer Gemeindepfarrer. Der verstehe die Bibel nicht und süche „göttliche Inspiration“. „Ich soll dann Kontakt zu Kirchenvätern, Päpsten oder Heiigen herstellen und diese dann diejenige Bibelstelle erklären lassen, die am nächsten Sonntag dran ist.“

Die Predigten müssen wohl sehr lebendig und lustig gewesen sein; der Priester hatte jedenfalls großen Erfolg damit in der Gemeinde. Was den Oberen im Bistum verdächtig vorkam, da die Gottesdienste ansonsten i. d. R. fast gar nicht besucht waren. Was aus Franz Josef geworden ist, kann Balthasar nicht sagen. Franz Josef ist jedenfalls schon längere Zeit nicht mehr gekommen.

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