Von Lena Kelm
Zwei, drei Tage vor Weihnachten. Im Supermarkt winden sich um die Regale Schlangen von Kunden mit voll beladenen Einkaufswagen. Warenberge, Unmengen Weihnachtmänner, Lebkuchen, Gänsekeulen, Rotkohl, Cola und andere Durstlöscher.
Die Leute drängeln an den Packtischen, um ein Plätzchen zu ergattern. Anders geht es nicht, in den Gängen stößt und schubst einer den anderen. Rücksicht ist nicht geboten.
Plötzlich fällt mir ein auf dem Tisch sitzender etwa sechsjähriger Junge auf, dessen Vater Tragetaschen prall füllt. Höflich frage ich den jungen Mann türkischer Abstammung, ob der Sohn den Platz frei machen könnte. Der Vater, ohne den Kopf zu heben und mich anzusehen, sagt: „Hier ist Sitzplatz!“ Und mit der Hand deutet er auf die Wand: „Siehst du nicht?“ Wohlwissend, dass ich veräppelt werde, blicke ich in diese Richtung. „Nein, sehe ich nicht“, widerspreche ich. Da legt der Frechdachs höhnisch noch eins drauf: „Warst du nicht in der Schule?“ Und packt seelenruhig weiter. Der Sohn sieht mich mit seinen braunen Kulleraugen belustigt an.
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© 2022 Lena Kelm
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