Von Felicia Rüdig
Die Totenbeschwörung wird auch Nekromantie genannt. Sie ist eine weltweit verbreitete Form des Spiritismus. Die Totenbeschwörung geht von der Existenz des Verstorbenen und seiner Seele nach dem Tode aus und strebt die Begegnung mit den Geistern der Verstorbenen an. Auch die Wiederbelebung der Geister Toter kann angestrebt werden. Die Totenbeschwörung soll Einblicke in die jenseitige Welt und Einblicke in die Zukunft (wozu auch Problemlösungsstrategien gehören) bieten.
Es gibt ethnische Religionen, in denen es einen Ahnenkult gibt; dazu gehört die Vorstellung, daß die Vorfahren zeitweilig unter den Lebenden präsent sind.
Allen Toten
wird geboten
jeder soll hören
wie sie schwören
Papst-Wahlen
sind Qualen.
(Wörterbuch-Eintrag)
Papst Sven starb im Jahre 587. Es war allerdings nicht sehr einfach, einen Nachfolger für ihn zu bestimmen. Das Wahlkollegium war nämlich in sich zerstritten. Die Bürgerschaft von Rom bevorzugte Andreas von Alexandria, die eigentlichen Gemeindemitglieder Secundus von Byzanz, während die Gemeindeleitung (als eigentliches Wahlkollegium) Julius von Korinth haben wollte. Da man sich nicht einigen konnte, kam es in der Folgezeit zu gewalttätigen Straßenschlachten.
Als Konsequenz daraus gab es die erste Mitgliederbefragung der Weltgeschichte. Es siegtte ein Überraschungskandidat: Alexander von Londinium. Er wurde 589 zum Papst gewählt und direkt danach gekrönt.
(Annika, eine Studentin der Kunstgeschichte, in Gedanken)
Verdammt und zugenäht. Ja, ja, ich weiß, ich soll nicht fluchen. Aber ich schreibe gerade an meiner Master-Arbeit. Und ich soll über die Wahl von Papst Alexander von Londinium schreiben. Dabei ist die Quellenlage doch so dürftig.
Doch halt – gibt es da nicht Omma Emma? Sie behauptet doch immer, sie könne Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen? Soll sie doch mal zeigen, was sie kann und Kontakt zu Alexander aufnehmen und ihn erzählen lassen, was damals so passiert ist.
(Filmaufnahmen des Universitätsfernsehens)
Liebe Mitstudenten, ihm Rahmen ihres Magister-Projektes besucht Annika ihre „Omma“ Emma.
Zu eurer Information: Annika studiert gerade christliche Kirchengeschichte. Ihr Studium neigt sich dem Ende entgegen und sie möchte es mit ihrer Magisterarbeit abschließen.
Ihre Großmutter Emma ist so etwas wie ein spiritistisches Medium, das behauptet, Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen zu können.
Wir betreten gerade ihr Wahrsagezimmer. Ihr seht ja selbst, wie plüschig und kuschelig es hier aussieht. Sogar die berühmt-berüchtigte Kristallkugel darf hier nicht fehlen.
Emma sitzt schon am Tisch und flüstert beschwörende Zauberformeln vor sich hin. Da – das Licht ist plötzlich ausgegangen. In der Kristallkugel fliegt eine Lichtkugel umher. Von ihr geht ein Lichtstrahl in eine Ecke des Zimmers.
Dort ist undeutlich eine ungepflegte Person in altertümlicher Papsttracht zu sehen; sie brabbelt, soweit ich verstehen kann, ein altertümliches Latein vor sich hin…
(Zeitungsartikel)
Sensation an unserer örtlichen Universität. Annika konnte nachweisen, dass Papst Alexander durch massive Bestechung an die Macht gekommen ist. Was nicht bewiesen werden konnte, ist, dass Annika Hographie und andere unseriöse Methoden zu Forschungszwecken verwandte. So müssen wir davon ausgehen, dass Omma Emmas Totenbeschwörung tatsächlich Erfolg beschieden war…
*
© 2022 Felicia Rüdig
Alle Rechte vorbehalten