Der Riemer

Von Andreas Rüdig

Der Riemer ist ein ehemaliger lederverarbeitender Beruf, der heute nicht mehr staatlich anerkannt ist. Die Riemer stellten Gürtel, Gurte, Wassereimer zur Brandbekämpfung, Geschirre für Zugtiere und Riemen jedweder Art (beispielsweise für Schuhe, Trommeln und Dreschflegel) her.

(der deutsche Bundesminister für Berufsbildung, Forschung, Wissensweiterentwicklung sowie Technologie)

Ach, hätte ich doch nur nicht auf den Wirtschaftsfachverband der Lederwarenindustrie gehört. Dann hätte ich nicht den Beruf des Riemers wieder in die Handwerksordnung aufgenommen. – dann wäre mir sehr viel Ärger erspart geblieben. Und damit meine ich nicht nur die viele Arbeit, meine Ausbildungsordnungen erlassen und Ausbildungsbetriebe finden zu müssen.

Doch was ist geschehen? Werfen wir einen Blick in die örtliche Presse.

„Zusammen mit dem Verein für historische Berufe möchten wir ausgestorbene Berufe wiederbeleben,“ berichtet Luitpold, Leider der Wirtschaftsfachvereinigung der Deutschen Lederwarenhersteller. „Dafür muß zunächst einmal der rechtliche Rahmen geregelt werden.“

Zielrichtung war nicht etwa die Entwicklungshilfepolitik – „es wäre einfach zu platt, Menschen in Afrika ihre eigenen Wassereimer aus Leder herstellen zu lassen. Ha ha ha. Das können die selbst besser als wir.“

Die Nachfrage komme vielmehr aus ganz anderen Wirtschaftszweigen, wie Luitpold berichtet. 

In Bayern werden wieder mehr Volksfeste gefeiert. Dafür brauche man Lederbekleidung, Musikinstrumente und Schießprügel nebst den dazugehörigen haltbaren Taschen.

Und: Allen Unkenrufen zum Trotz erfreuen sich – insbesondere bei jüngeren Leuten – Geldbörsen, Brieftaschen sowie Schutzhüllen für Karten aller Art (z. B. Payback, Kredit-, Telefon- oder Schlüsselkarten) zunehmender Beliebtheit. Modische Accessoires für Herrenausstatter, Raumausstatter sowie Personenbeförderungsfahrzeuge sollen hier nicht vergessen werden.

Das Problem: Wie die nachwachsenden Rohstoffe (sprich: Schüler, Kinder + Jugendliche) für einen Beruf interessieren, von dem sie noch nie gehört, geschweige denn gesehen haben? Genau: die Bundeseinrichtung für Arbeitswesen erstellt Informationsmaterialien.

„Wir sind tatsächlich auch in Vaduz, der Hauptstadt des Fürstentums Liechtenstein, fündig geworden. Dort gibt es einen der letzten Riemer-Betriebe im deutschsprachigen Raum,“ so ein Behördensprechern.

„Viel zu teuer,“ bemängelt das Bundesrechnungsprüfungsamt das fertige Produkt.

„Liechtenstein gehört nicht zur Europäischen Union,“ bemängelt das Auswärtige Amt.

„Wir waren nicht beteiligt,“ kritisiert das Bundesinistitut für berufliche Bildungsforschung.

Also entschied sich die staatliche Arbeitsverwaltung, alternative Wege zu gehen, um den Beruf bekannt zu machen.

Die Kehrtwende kam, als der Bund der Jahrmarktorganisatoren auf das Problem aufmerksam wurde. „WIR wissen doch, wie man publikumswirksame Messen, Ausstellungen und Jahrmärkte durchführt,“ formulierte es Habakuk Timpe-Frau. Seitdem gibt es im Sommerhalbjahr viele Produktpräsentationsdarbietungen, bei denen Riemen vorgestellt werden Bunji-Springen? Zaumzeug und Sättel für Pferde? LkW-Wettziehen? Schottische Hochlandspiele (Baumziehen)? Autogurte? Messen für Gürtel, Schuhe sowie Herrenausstattung? „Alles kein Problem für uns,“ betont Habakuk. „Jahrmärkte sind ja nicht nur Kirmesse, sondern beispielsweise auch Stadtfeste, Kunsthandwerkermärkte oder Trödelmärkte.“

So wurde Nepomuk zur ersten Nachwuchskraft seit langer Zeit. „Ich war auf einer Bekleidungs-Messe, als mir durch ein Mißgeschick mein Hosengürtel kaputtgegangen ist. Da habe ich durch Zufall die Firma aus Vaduz entdeckt, sofort einen Ersatzgürtel gefunden und mich für den Beruf interessiert. ich bin auch sofort als Nachwuchskraft genommen worden.“ Dumm nur: Nepomuk muß jetzt in das Alpen-Fürstentum umziehen. Sollte er die Abschlußprüfung erfolgreich abschließen, wird ein Bürokratie-Marathon beginnen, um den Berufsabschluß bei uns anerkennen zu lassen..

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