Ladybug

Von Regine Wendt

Rot mit schwarzen Punkten, etwas Gold blitzte auf. Bis in die Veranda hatte ich mich gewagt, auf dem Tisch die Überwinterungspflanzen, die Rosen schon voll mit Blattläusen.

Ladybug ,summte der Marienkäfer, und du?

Regina. Das heißt auf Latein die Königin.

Dafür siehst du miserabel aus.

Ich bin krank. Das Nachthemd klebte mir am Körper, ich stank.

Schau mich an. Ladybug krabbelte auf meinen Arm. Rot mit schwarzen Punkten hob sie dezent die Flügel und flirrte kokett zartes Gold hervor.

Ich habe eine Idee. Wir fliegen zum Türkenmarkt am Maybachufer in Kreuzberg, dort gibt es wunderbare Stoffe. Du brauchst ein anderes Kleid. So wie meins.

Ich bin erschöpft, habe bestimmt hohes Fieber.

Gerade richtig, damit fliegt es sich am besten. Und schon waren wir unterwegs, allerdings nur bis zum Kottbusser Damm. Ladybug hatte schon die Tür zu einem Laden durchflogen.

Zugegeben der junge Verkäufer sah fantastisch aus. Schwarze Haare, schwarze Augen und ein strahlendes Lächeln. Ladybug turnte in meinem Ohr herum. Los jetzt, feuerte sie mich an. Roten Stoff für ein Kleid mit schwarzen Punkten. Für sie? fragte er. Ahmed, mein Traumprinz nannte ich ihn schon insgeheim. Ich würde Ihnen doch lieber zu einem warmen Beige raten. Aha, wie die Mallorcawolke. Rentnerüberwinterung. Selbst Ladybug war empört und flog ihm kurz in Auge. Nachdem ich Ahmed das sinnliche Rot erläuterte, mir alle Mühe in der direkten Poesie gab, war der Stoff zur Stelle. Es ist immer gut, wenn man sich auskennt. Punkte sind extra, 1 Cent pro Stück. Schlag zu, flüsterte Ladybug, wir können uns das leisten. Mit 30 Cent waren wir dabei. Ahmed war indessen in den hinteren Teil des Ladens verschwunden und kam im himmelblau glänzenden Sakko zu uns. Das ist meine Farbe, strahlte er und schielte nach seinem Cabrio vor der Tür.

Nimm ihn mit, raunte Ladybug. Ich muss aber nicht alles Schöne haben.

Das hatte ich fast vergessen. Vor der Tür trafen wir noch Heiner Jansen in Jogginghose und T-Shirt. Alles in Schlammfarbe. Er lächelt immer so lieb. Ein richtig Netter, aber heute war es nicht genug.

Im Nu waren wir wieder daheim. Los jetzt, zischte Ladybug, jetzt wird genäht. Auf ihre Anweisung schnitt ich zwei Löcher für die Arme in den Stoff, kräuselte den Hals ein. Der Rücken wurde schnell mit großem Stich zusammen gehalten. Wir hatten uns vorsichtshalber einige Wäscheklammern zurechtgelegt, falls wir es enger brauchten. Als ich aus dem Nachthemd schlüpfte, sah sie mich mitleidig an. Gleich wird es besser.

Das Kleid war zu lang und hinten sah es unvorteilhaft aus. Macht nichts, hinten siehst du sowieso nicht schön aus, kein Arsch. Aber die Devise ist, schaue nach vorn! Das Kleid reichte bis zum Boden. Ladybug flog zur Schere. Wir kürzen. Jetzt reicht es aber, ich wurde energisch, ich will ein Kleid und keinen Pullover. Wir klebten dann noch die 30 Punkte drauf.

Du siehst jetzt aus wie Regina die Königin, meinte sie. Richtig toll. Sie flog einige Runden übermütig um mich herum. Lockte mich aus dem Zimmer zu den Überwinterungspflanzen in der Veranda und hinaus in die frische Luft. Ich fühlte mich wie ein Marienkäfer in der Sonne.

Als ich wieder in mein Bett wollte, der Ausflug hatte mich doch sehr angestrengt, wurde sie streng. Dass du mir nicht an die Blattläuse in den Rosen gehst, die gehören mir.

Das Fieber war wohl doch sehr hoch. Ich träumte ausführlich von Heiner Jansen. Er trug ein himmelblaues, glänzendes Sakko. Sein liebes Lächeln, war nur Einiges, was mich entzückte. Der Fahrtwind im Cabrio machte mir gar nichts aus.

Nach einer schweren Krankheit ist die Welt nicht gleich bunt, sie färbt sich erst langsam wieder ein. Dieses Virus hat mir Respekt beigebracht. Heiner musste ich absagen. Wir können uns noch nicht treffen, es geht nur schleppend voran. Gesundheit ist auch eine Frage der Geduld.

*

© 2022 Regine Wendt
Alle Rechte vorbehalten