Von Lena Kelm
Ein heißer Sommertag. Mittagszeit. Nach langer Zeit befinde ich mich wieder einmal auf dem kleinen Wochenmarkt. Menschen und Hunde lechzen nach einem Lüftchen, suchen Schatten unter den Schirmen der Stände, die meisten kaufen Wasser oder Wassermelonen. Es sind weniger Menschen als sonst üblich da. Nur vor dem Verkaufswagen mit der roten Aufschrift CURRY-ECK steht eine Schlange unter sengender Sonne. In meinem Bezirk gibt es meines Wissens keinen Curry-Wurst-Stand mehr wie einst. Der Appetit auf die beliebte Rarität erklärt den Andrang trotz der Hitze.
Ohne lange zu überlegen, stelle ich mich an. Nein, auf die einzigartige Wurst-Spezialität verzichte ich, bin längst zu einer Fast-Vegetarierin mutiert, konsumiere selten Fleisch aus gesundheitlichen Gründen. Vermisse es auch nicht. Dafür erlaube ich mir ab und zu die andere Sünde: Pommes. Hier sind sie gut. So gut wie die zwei Verkäuferinnen und die Köchin in einem. Seit vielen Jahren stehen sie hier und altern mit dem Wohnwagen. Flink wie ehe und je. An ihrer Arbeit merkt man ihre geschätzten Anfang Sechzig nicht.
Heute erledigt nur eine die Zubereitung und den Verkauf. Trotzdem schafft sie es, dass die Wartezeit nicht zu lang ist. Stets in Aktion hat sie für jeden ein freundliches Wort, einen flotten Berliner Spruch bereit. Die Pommes kommen ins Netz und Fett, die Würste auf dem Rost werden umgedreht, fertig geschnitten, Curry, Sauce ‘rauf, Pommes ‘raus, Majo dazu, eine Gabel und alles wird nach Wunsch in Folie verpackt. Wie oft werden diese Bewegungen in den sechs Stunden auf den Beinen wiederholt! Ich bewundere die Frau.
In dem Moment nähert sich dem Stand schlurfenden Schrittes ein Mann in viel zu warmer Kleidung, nämlich in Trainingssachen. Mit einer Currywurst. Mir fällt auf, die hat er hier vor gefühlten zehn Minuten ergattert. Er fragt die Verkäuferin: „Haben Sie meine Frau Jana mit dem braunen Hund gesehen?“ – „Nein“, antwortet sie irritiert. Der Mann entfernt sich. Die Verkäuferin lächelt: „Die Menschen glauben wohl, ich wäre hier eingezogen.“ Ich muss lachen, ebenso die anderen Liebhaber der Curry-Wurst, ganz bestimmt Fans dieser Verkäuferin.
Meine Pommes sind fertig. Mit wenig Salz, ohne Majo, wohlbemerkt mit dem Lach-Vitamin.
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© 2022 Lena Kelm
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