Liebesachterbahn

Von Nakimuli Spieler

Kapitel 1

Die Kerzen brennen, das kann ich von meinem Standort aus sehen. Ich nehme seine Stimme in der Küche wahr. Mein Bauch gibt einen aufgeregten Ruck. Kocht er etwa für mich? Ich ziehe die Jacke aus und hänge sie auf. Das Zimmer ist warm und ich freue mich darüber, denn ich bin froh nicht mehr draußen in der Kälte zu sein. Neben mir ist ein Spiegel. Ich stelle mich vor ihm und begutachte mich ein letztes Mal bevor ich in seine warme Stube gehe.

Ich trage schwarze hochhackige Schuhe. Ich habe eine dünne Strumpfhose an. Die Strumpfhose ist von einem langen pinken Rock bedeckt. Zu Hause bin ich im Zimmer auf und ab stolziert wie ein Model, hatte die Hüfte von einer Seite zur anderen geweht und der Rock mit mir. Oberhalb vom Rock hatte ich ein enges, schwarzes T-Shirt an. Am Hals hatte ich eine bunte Perlenkette an. Im Gesicht hatte ich einen roten Lippenstift und schwarzes Eyeliner eines sexy und verführerischen Afro-Look verpasst. Oder zumindest versucht. Stolz war ich auf meine gelungene Frisur. Ich hatte vier Stunden lang meine Raster gedreht und danach, mit Hilfe von youtube„How to style my dreadlocks“,eine super scharfe Frisur erlangt. Sebastian wird Augen machen, wenn er mich so sieht.

Angelockt von dem Geruch, der mir in die Nase kroch, begab ich mich in die Küche. In der Küche erblickte ich ihn. Sebastian ist mein zweiter deutscher Freund.
Er ist Musiker. Er war sehr begabt. Neben dem musikzieren, malte er, machte Fotos, schreib über sich und die Welt. Neben dem musizieren, reiste Sebastian gern um die Welt und traf sich mit anderen Musiker. Da ich auch mit meinen Eltern früher oft verreist bin konnten wir unsere Erfahrungen austauschen. Wir begrüßten uns mit einem Kuss. Geheimnisvoll fordert er mich auf, in den Ofen zu gucken. Er hatte Fisch gemacht und es duftet köstlich. Auf dem Herd sah ich eine Soße und noch Reis.„Extra für dich. Es ist nicht scharf“, beteuerte er.

Ich hatte ihn gesagt, dass ich nicht so gut scharfes essen konnte. Wie nett, dass er es nicht vergessen hatte. Summend schaltete er den Herd aus. Dann nahm er Teller und Besteck zu sich und brachte sie ins Wohnzimmer. Ich folgte ihn mit Gläsern und Trinken.

„Was hast du heute gemacht?“, fragt Sebastian und holt mich aus meinen Gedanken.
„Ich hatte Vorlesungen nach der anderen. Aber ich beschwere mich nicht. Ich habe das Studium ausgesucht.“. Ich ging in die Küche und holte den Reis. Sebastian hat einen kleinen Tisch der Knie hoch ist. Darauf hat er in der Mitte zwei Kerzen angezündet.
„Ich bin immer noch der Ansicht, dass du Philosophie nicht studieren solltest. Du wolltest doch immer schon Lehrerin oder Schriftstellerin werden. Was ist damit passiert?“, fragt er während er für romantische Musik sorgt.
„Das kann ich immer noch machen“, sage ich, „Ich finde Philosophie gerade mal spannend“
„Ja aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Du hörst nie auf mich.“, sagt er. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Dabei hatte er doch auch Philosophie früher studiert. Aber er hat abgebrochen. Studieren war nichts für ihn.
„Ich hoffe du findest schnell deinen Weg“, sagt er dann. Er holt den Fisch und setzt sich auf den Boden neben mir. Dann essen wir gemeinsam. Diese Momente liebte ich einfach.

Kapitel 2

Als ich am nächsten Tag aufwache bin ich glücklich gesinnt. Sebastian liegt neben mir. Er schläft noch. Vorsichtig bewege ich mich aus seiner Umklammerung. Ich will ihn nicht aufwecken. Seit einem Jahr schon sehen wir uns und ich bin genauso verliebt in ihn wie am ersten Tag. Ich betrachte ihn für eine Weile. Er treibt regelmäßig Sport. Das sieht man an seinen muskulösen Oberarmen und an seinem wunderbaren flachen Bauch. Ich könnte ihn gut jeden Tag ohne T-Shirt rumlaufen sehen. Er liegt entspannt da wie ein kleines Kind. Er hat sich jetzt ausgebreitet im Bett und schnarcht leise vor sich hin. Ich bin sehr glücklich. Wenn ich an letzter Nacht denke. Sebastian bewegt sich, blinkt kurz in meiner Richtung und lächelt.
„Na, guten Morgen“, sagt er.
„Guten Morgen“, sage ich.
Sebastian rappelt sich auf und beißt mir zärtlich in den Oberarm.
„Aua“, ruf ich.
Er küsst mich zu Versöhnung und das machen wir etwas länger. Er küsst umwerfend und es fühlt sich gut an. Jetzt umarmte er mich und seine Hand gleitet zu meinen Hintern. Er packt fest zu und knete die ganze Fläche.
„Fantastisch“ sagt er mit Begeisterung. Ich lächele und nehme das Kompliment an.
„Dein Arsch finde ich auch super“ entgegne ich ihm. Darauf küsst er mich nochmal.
„Wie wär’s mit Frühstück?“, frage ich.
„Oh okay“, sagt er und springt auf.
Fünf Minuten später ist er angezogen. Ich ziehe mich auch an und wir spazieren Hand in Hand in die Küche. Es fühlte sich gut an, dass ich mir wünschte, es könnte immer so sein. Angekommen, fragt mich Sebastian was ich trinken will. Ich antworte, dass ich Tee gern hätte. In seiner Küche auf dem Tisch liegt ein Magazin in dem ich blätterte, während Sebastian das Wasser kocht. Auf einer Seite bleibe ich stehen in dem ein Interview mit Justin Timberlake gehalten wird. Er wird gefragt wie viele Schuhe er daheim hat. Dreißig Paar Schuhe gibt er an, denn er räumt immer wieder aus. Ich lächele und erinnere mich an dem einen Tag als ich bei Sebastian war. Ich half ihn dabei seine Klamotten und Schuhe aufzuräumen und entdeckte, dass er genauso viele Paarschuhe hatte wie ich. Und hier bemerkt, ich habe nicht wenige.
„Was willst du heute machen?“, fragt mich Sebastian.
„Ich weiß noch nicht. Und was machst du so?“, frage ich
„Um zwei habe ich wieder Studio Aufnahme.“, sagt Sebastian.
„Okay“, sage ich. In dem Moment klingelt Sebastians Handy. Er geht ran.
„Hallo, ach Herr Müller. Ja ihr Sohn kommt heute vorbei? Ja gegen 13 Uhr. Wiedersehen“, er legt das Handy weg. Ich sehe auf die Uhr. In einer Stunde sind sie hier, merke ich.

„Tut mir leid, die Arbeit ruft.“, sagt Sebastian nach einer Weile.
„Keine Sorge, ich habe heute auch was mit den Mädels vor.“, lüge ich und fange an abzuräumen. Auf einmal ist die gute Laune weg und während ich packe frage ich mich, ob ich dies wirklich weiter führen will. Da habe ich ihn und auch wieder nicht. Wenn es um seine Musik geht, dann macht Sebastian keinen Halt. Nichts ist ihm wichtiger als die Musik. Dann wiederum braucht er Geld. Zehn Minuten später habe ich meine Sachen beisammen.

„Okay ich bin fertig.“, sage ich. Zum Abschied nimmt er mich noch eng in die Arme und küsst mich ausgiebig, als wäre diese ein Abschied auf Ewigkeit.
Ich verlasse seine Wohnung, laufe die Treppe runter, manche unten die schwere Eingangstür auf und bin dann raus. Draußen stoße ich ausversehen mit einer anderen Frau zusammen. Ich entschuldige mich und sie lächelt mich freundlich an. Sie läuft an mir vorbei und geht durch die Tür, die ich gerade verlassen habe. Ich rappele mich und geh zum Bus. Als ich am Bus angekommen bin, merke ich, dass ich mein Handy vergessen habe. Den hatte ich doch am Bett hingelegt, weil ich dort aufladen wollte. Ich gucke auf meine Armbanduhr. Noch ist Zeit bis der Gesangsschüler bei Sebastian auftaucht. Ich laufe zurück. In der Eile drücke ich unten auf den falschen Knopf. Aber der Nachbar ist so freundlich und öffnet gleich. Ich stürme nach oben. Oben angekommen klingele ich. Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit scheint, öffnet Sebastian die Tür.

„Ach du bist es“, sagt er. Er wirkt überrascht.
„Hast du etwas vergessen?“, fragt er mich.
„Ja, mein Handy. Kann ich rein? “, japse ich.
„Nein.“ sagt er hastig. „Bleib da, ich, ich hole es dir.“
„Wer ist da?“, höre ich eine Frauenstimme fragen.
Ich sehe wie die Tür vom Badezimmer aufgeht. Da erblickte ich die Frau, die ich kurze Zeit vorher unten gesehen habe. Sie steht da mit ihrer Bluse offen und kämmt sich das Haar. Mir bleibt der Atem weg. In den Moment kommt Sebastian mit dem Handy an die Tür. Er sieht uns beiden Frauen an. Ich nehme das Handy und verschwinde. Als ich runter laufe, höre ich ihn noch nach mir rufen, aber ich will mich nicht damit auseinander setzen. Zum Glück kommt mein Bus. Völlig benebelt steige ich ein. Mein Handy klingelt, doch ich gehe nicht ran.

Kapitel 3

Nach einer Woche steht Sebastian vor meiner Tür.
„Du gehst nicht an dein Telefon ran.“, sagt er.
„Das muss ich auch nicht.“, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust.
„Es tut mir leid, das war meine Ex-Freundin letzte Woche.“, sagt er leise.
„Das sah nach mehr aus, als Ex.“, kontere ich.
„Können wir uns nicht weiterhin treffen. Ich mag dich doch.“, sagte er.
 „Seid ihr wieder zusammen?“, hacke ich nach.
„Ach, du gibst wohl nie Ruhe. Weißt du was, niemand ist perfekt. Wenn du damit nicht leben kannst, dann such dir jemand neuen.“ sagte er und verschwindet aus der Tür.
Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. Ich stehe da wie anwurzelt. Sollte ich ihm nach laufen? Aus welchem Grund? Dann mache ich die Tür zu. Immer noch unter Schock laufe ich im Zimmer auf und ab. Dabei hatte der Tag so gut angefangen. Ich war aufgewacht, hatte schön gefrühstückt und war sogar draußen joggen. Dann war ich noch einkaufen.

Frustriert mache ich das Fenster auf. Ich nehme mein Handy und schmeiße ihn im hohen Bogen raus. Ich steuere ins Zimmer umher und hole Sachen, die mich mit Sebastian verbinden, aus den Regalen heraus.Ich gehe Ziel sicher zum Fenster und lass sie auf dem Gehweg runterregnen. Da ich im zweiten Stock wohne, haben sie keinen langen Weg nach unten, und der Aufprall ist auch nicht massiv, aber es tut gut. Der Parfüm, die Kerzen, die Schuhe, die Klamotten. Dann hole ich noch die Bilder.

Bei denen mache ich halt weil ich meine Tränen zurückhalten muss. Ich nehme die Schere. Ich schneide sie in Stücken. Erst dann schmeiße ich die raus. Sie gleiten langsam runter wie leichte Federn. Aber auch die landen unten auf den Gehweg. Dass jetzt zwei Leute aus der Wohnung gucken macht mir nichts aus. Während ich alles runter schmeiße, schreie ich. Ich hole zuletzt den schönen Kissen, den er mir zuletzt am Valentinstag geschenkt hat. Ich stampfe mit dem Kissen in die Küche und hole mir das größte Messer. Mit großen hieben stochere ich darein. Das tut gut. Der Inhalt quält hervor, leider sind es nicht Federn, sondern Watte.

Total erschöpft setze ich mich auf den Küchenboden. Das Radio spielt. Ich schließe die Augen und schlafe sitzend ein. Viel später wache ich auf. Mein Nacken tut weh. Ich nehme Besen und Handfeger in die Hand. Dann gehe ich die Treppe runter. Ich fege alles wieder zusammen. Als alles zusammen gefegt ist schreie ich noch einmal in die Nacht. Dann nehme ich meine Sachen und gehe zurück in meiner Wohnung.

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