Flugmodus

Von Anke Meer

Ok Handy, ich habe es geschafft dich heute wenigstens eine Stunde auszuschalten und sechs Minuten Flugmodus. Obwohl mich das Plakat an der Eingangstür vom Kindergarten täglich erinnert. Warum zum Teufel schmeiße ich dich nicht endlich in die Spree. Weshalb tun Smileys wieder so weh? Aus jetzt! Digital Püree. Speicherkarte SD, morgen bist du ein problemloses Ade. Auf Wiedersehen Emojis Armee. Du stehts passendes Giff Blume, Bierkrug, Daumen hoch, Marienkäfer statt Sätze im Klee. Morgen bist du ein Akku leeres Spinnennetz im Spinnen von diesem Irrsinn. Mein neues Gesetz, lass dich nicht nochmal auf Hdf WhatsApp Abkürzungen ein, im Grübeln warum ich darauf noch Sry sendete. Völlig hirnlos entschuldigte ich mich bei Tom meinem besten Freund für etwas, was ich bis heute nicht weiß. Wie war es denn vor fünf Jahren? Du Funkloch am Horizont, wie kontaktlos habe ich mich im Mond gesonnt. Da kam ich raus, von einem 130,00 € Telefonvertrag, aus dem ich dann nach einigen Kündigungen zur Prepaid Karte wechseln konnte. Was für eine schmerzvolle Umstellung. Monate ohne was ist Smiley Sonnenbrille? Ich schrieb noch, du hast dich doch damals so für Sprache interessiert, mit mir Goethe und Schiller zitiert, das Opernglas abonniert, mit mir Theaterstücke studiert, keine wütenden Smileys zu mir vibriert, meine Meinung nicht auf die Goldwaage zensiert, du hast mir doch früher meine Worte nicht blockiert, du warst doch sonst nie so vorprogrammiert. Magst du es nicht, dass ich dir Gedichte schreibe? Als ich dann ein Äffchen und FO als Antwort bekam, machte ich Schluss mit Tom und dem Internet. Frei von hat er doch gelesen, ihr blöden blauen Hacken, warum antwortet er dann erst neun Tage später mit einem HdL Fragezeichen. Als Abschied schickte ich noch einen Schwan. Ich wollte damit meine Treue kommunizieren. Dummerweise waren allerdings mit dieser internetlosen Veränderung in meinem Leben auch alle Handynummern weg. Und dass ausgerechnet, als ich nach Travemünde zog und niemanden kannte. Als ich mich am Strand einsandte, so Elektrosmog frei endspannte suchte ich nach dem Gastzugang der Hotels. Ich erinnere mich noch gut, dass die Verschlüsselungen mich wahnsinnig machten. Aber ich blieb stark. Gott sei Dank bin ich beliebt. Ich tauschte Herzsmileys mit neuen Strandgesprächen. Ich wollte die Leseratte in mir zurück und nicht die handysüchtige Smiley Ratte. Ich wollte endlich wieder einmal eine Bibliothek von innen riechen, wie früher Pipi Langstrumpf lesen um mir sicher zu sein, dass ich nicht Annika bin. Weil ich mich ja nur in Geschichten verträume, mich im Meer schäume und um mich herum alles versäume. Mein Leben ist ein Traum, vor allem wenn mir über WhatsApp siebzehn Jahre Freundschaft gekündigt wurde. Danke aber auch das ich nicht einmal ein Telefonat wert bin. Seit einem Jahr bin ich wieder leidenschaftlicher Surfer. Ist heute eh alles billiger und übers Meer surfen in den Horizont der Einsamkeit, das ist doch viel zu viel Natur. Da spüre ich mich ja selbst. Welche Seele fliegt denn heute noch? Oder träumt? Wir sind doch schon Computer, oder? Sag du es mir Handy. Komm schon. Google kennt jede Antwort. Hey Account Bohne 888, du kannst ruhig mal ein bisschen stolz auf dich sein, dass du dich noch nie auf Twitter oder Instagram angemeldet hast. Du bist immerhin Old School Facebook. Und du hast es geschafft von 5984 Kumpels dich auf 38 runter zu löschen. Was das für eine Zeit gekostet hat, die alle zu bestätigen um sie dann wieder zu entfernen. Hey Gesichtsbuch. Du bist toll. Einige Freunde aus der Vergangenheit hätte ich ja ohne dich wirklich nicht wiedergefunden. Und Tom. Er fand mich sofort auf Facebook und schickte mir direkt einen Schwan und drei Worte. Lebst in Träumen. Drei ganze ausgeschriebene Worte. Und Smileys aus Mittagessen. Ich hatte ihn so schön vergessen, jetzt nur nicht stressen, hat dieser Junge mich gefressen. Hoffnungsvoll in meiner Sehnsucht nach Harmonie sendete ich zwei Kaffee Tassen zurück, um keine falschen Worte zu wählen. Die Freundschaftsanfrage auf Facebook hat er mir allerdings nicht bestätigt. Meine Daten klebten am Spaten, ich tötetet Kirschen kombiniert mit Brokkoli im Wort Raten. Vier Wochen später schickte ich Tom Zombies und Gespenster. Acht Wochen später einen Drachen. Heute Morgen eine Pistole. Das wäre mir früher als wir uns noch Postkarten schickten wirklich nicht passiert. Vielleicht schaffe ich es jetzt mit meiner Sucht der Flucht zurück in die Lübecker Bucht. Windsurfen. Auf meinen salzigen Tränen. Hier bin ich mit meinem sinnlosen, oberflächlichen Tom Problem. Ich stehe ja nicht hier nur um meine Gedanken dann gleich auf Facebook zu posten. Obwohl. Kann jemand kurz filmen? Vielleicht bestätigt er mir ja dann die Freundschaftsanfrage. Aber das bringt mir nichts. Weil morgen früh komme ich ja wieder an diesem Plakat an der Eingangstür vorbei. Und da stehen diese zwei Eltern vertieft in Ihre Handys auf dem Spielplatz, abgebildet in einer unaufhaltsamen Zeit der Digitalisierung. Und dieses Plakat fragt mich wieder. „Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?“ Lassen wir unser Schweigen dort, da an unserem magischen Ort, ich bin dir für immer fort und endlich wieder im Wort. Wer sind wir ohne unsere Meinungsfreiheit und ohne unsere Stimme? Morgen kaufe ich mir ein Tom Tom. Ohne Navi verlaufe ich mich einfach zu oft.

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© 2023 Anke Meer
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