Von Michael Wiedorn
Ich schwimme im Fluss, fließend aus der Badehose. Der Strom leuchtet azurn gegen die türkisenen Kacheln. Ich bin ein Fisch und tummle mich in der Flut. Wogend in den Wellen. Gischt spritzt und ein bleicher, steifer Körper treibt ins Meer. Hinaus ins Freie. Wogend im Tode. Leistungssportler grölen fröhlich und springen vom Zehn-Meter-Brett tief hinab ins Azur. Tief ins Azur in der Tiefsee. Klaffende Mäuler. Fieberrote Feuerfische reißen und fressen Stücke aus dem Fleisch heraus. Das Fischbesteck schneidet in die gedünstete Forelle. Saphirblaue Meereswogen. Türkisblaue Kacheln an den Mauern der Moschee. Verwirrte Fische irren durch Auwälder. Das weiche, weiße Fleisch liegt zärtlich auf der Zunge. Gut gewürzt. Forelle serviert man mit Kartoffeln und Meerrettich. Hecht, Tintenfisch, Krabben, Kaviar. Die Brandung des Meeres schlägt gegen die Dünen. Auf die Dünen rauf. Zerbrochenes Holz und Gemäuer. Das Meer zieht sich zurück und im nassen, grausam ans Tageslicht gezerrten Untergrund dreht und windet sich fremdes Leben. Zu Fremdartiges sollte dem menschlichem Auge für immer verborgen bleiben. Die neugierigen Touristen staunen und laufen weit hinaus über den jetzt leer geräumten Meeresboden.
Die Natur ist gut. Sie nährt und liebt Mensch und Tier. Es gibt die Kriegstaktik, dass die Armee sich zurückzieht und der Feind dringt siegestrunken vor. Man liebt die Natur, weil sie das menschliche Leben ziert. Die Wälder und Berge und die Meere sind die Heimat. Schwarze, meterhohe Kriegerheere kämpfen und erobern. Schwarze, meterhohe Wassermassen erheben sich weit draußen im Fremden und stürmen zerberstend vorwärts. Das Wasser ist schwarz wie der Menschenhass. Der von den Fischen Gehäutete und an den Gliedern Amputierte führt die Kriegsheere. Der versteifte Kadaver erscheint oben auf dem Sims einer weltzermalmenden Wassermauer. Das Fischbesteck schneidet in das Fleisch. Fische bluten wenig. Harter Stein bricht auf. Ich schwimme in der Brandung, fließend aus der Badehose.
9.IV.2018
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