Von Sofie Morin
Das Eisfeld liegt brach wie ungebrochen. Ich habe die Blütenblätter längst aufgesammelt. Denn nichts, was uns angehört, soll hier eingefroren sein. Meine Wehmut findet kein Makel.
So kämpfe ich gegen die Wellenkämme des Versagten an. So stemme ich mich gegen eine haltlose Bestimmung.
Zuweilen stelle ich mir meine nackten Sohlen auf dieser einzigen Scholle vor. Das dient der Linderung meines Übermuts. Verspricht Läuterung, verspricht nichts.
Schneekristalle umtanzen mein kahlgeschorenes Zutrauen, als hieße es alsbald Unterschlupf suchen. Haben wir uns denn nicht Häuser gebaut? Gegen die Wildnis. Die rundum und die in uns. Und dennoch sind unsere Atemwege noch dann und wann in Eiswasser getaucht. Nicht, wie das Eingeständnis unserer Verletzlichkeit erzwingend. Mehr wie der Weckruf eines vertrauenswürdigen Vogels, der meinen Blick auf die Eisfläche lenkt.
Sorge dich nicht, nicht im Traum würde ich Fahnenflucht begehen, mein Wassergott.
Ich sehe durch deine Augen. Ein Farbschatten verhuscht unter der von Fragen aufgerauten Schicht. Geschöpfe fliegend wie schwimmend mit dem Strom und ihm entgegen. Das Leben leckt allseits unermüdlich am Eis, trägt mein Lächeln auf seinen Flossen wie Schwingen.
Ich sehe durch meine glasigen Augen. Was ich vertan habe und was ich noch bergen kann. Ein Ankommen zugelassen von der Durchdringung der Schichten endlich. Die Rettung steht nah des tiefsten Punkts bereit. Dort am Seegrund finde ich die Abdrücke deiner Flossenschläge. Sauge ihre Fährte in meine Lungen auf. Und weiß: Zwei Fische sind wir, in getrennten Eismeeren überwinternd. Der Frühlingstau möge unsere Freuden wieder zu einer des Lebens vereinen.
Sofie Morin, 13. 1. 2021
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