Alles Füsse oder was – Ein Dialog

Von Hans Peter Flückiger

Sie leben aber auf grossem Fuss.

Das macht es mir einfach, auf eigenen Füssen zu stehen. Mit Verlaub, ich stehe mit beiden Füssen im Leben.

Von Kopf bis Fuss eine respektable Erscheinung.

Kriegen sie kalte Füsse?

Nein! Schwierig wird es aber wohl sein, den Fuss in die Türe zu bekommen, oder gar, die Füsse bei jemandem unter den Tisch stellen zu können.

Dafür fällt es mir leicht, Fuss zu fassen.

Ob es je jemand schaffen wird, in ihre Fussstapfen zu treten?

Gut zu Fuss muss der oder die schon sein. Es liegt definitiv nicht drin, über die eigenen Füsse zu stolpern.

Trübe Aussichten. Ob sich da noch jemand wagt, überhaupt noch einen Fuss vor die Türe zu setzen.

Ich bitte sie. Das ist nun wirklich eine Behauptung, die weder Hand noch Fuss hat.

Aber, wer Füsse wie Blei hat, könnte es wohl schon auf dem falschen Fuss erwischen.

Und ihn dazu verleiten, alles vor die Füsse zu schmeissen?

Der könnte sich auf die Füsse getreten fühlen.

Na na, es gehört doch zur Politik, selbst zu jammern, wenn man anderen auf die Füsse tritt.

*

© 2023 Hans Peter Flückiger
Alle Rechte vorbehalten

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Zu Werk Yoga won’t save you, 2021, von Pawel Ferus (*1978),
Marmor (Rosa Portogallo, 47 x 114 x 50 cm)
Kunstmuseum Solothurn, Jahresausstellung 2022, 20.11.-31.12.2022, Kunstverein Solothurn
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Guerilla Sale

Von Christian Knieps

In einem Geschäft für Schlafzimmermöbel. An einem Schreibtisch sitzt ein gelangweilter Verkäufer und schlürft an seinem Kaffee. Beide Füße, an denen weiße Golfschuhe prangen, liegen auf dem Tisch. Es ist nichts los im Laden. Plötzlich ertönt die Eingangstüre, und ein potentieller Kunde kommt in den Laden. Dieser geht schnurstracks zu dem Verkäufer und setzt sich an den Tisch auf einen bereitstehenden Stuhl. Beide mustern sich eine Weile.
Verkäufer ohne sich zu regen:
Kann es sein, dass Sie gar nichts kaufen wollen? Sondern nur hier sind, um Stunk zu machen und meine Zeit zu fressen? Wenn Sie eine Beratung wollen, gehen Sie irgendwo hin, aber stehlen Sie mir bitte nicht meine Zeit!
Kunde:
Lassen wir das dumme Gequatsche! Mein Kumpel hat mir gesagt, dass es hier in diesem Laden einen Verkäufer gibt, auf dessen Beschreibung Sie haargenau passen, und der es schafft, Möbel zu horrenden Preisen zu verkaufen, ohne dass man eigentlich überhaupt was kaufen wollte! Nun, sind Sie das?
Kurze Pause.
Verkäufer:
Wenn es mich interessieren würde, wer Ihr Kumpel ist, würde ich mich jetzt am Kopf kratzen. Der Kunde schaut ihm auf dem Kopf. Anstatt, dass ich mir den Kopf kratze, kratze ich mir den Sack. Gehen Sie, bevor Sie noch mehr meine Zeit stehlen!
Kunde:
Mein Kumpel nannte es Guerilla Sale, was Sie machen würden. Ich bin ganz offen und ehrlich! Ich habe wenig Kohle und möchte auch nichts kaufen, will aber erfahren, wie Sie meinen Verstand brechen, um ein völlig überteuertes Geschäft zu machen, das ich weder brauche noch möchte.
Verkäufer:
Wie viel Bargeld haben Sie dabei?
Kunde:
Zweitausend. Frisch von der Bank abgehoben. Jetzt ist das Konto leer!
Verkäufer:
Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen einen Blankovertrag hinlege, wir tragen die zweitausend Euro als Betrag ein, Sie unterschreiben, gehen nach Hause und bekommen von mir irgendwas geliefert? Irgendwann einmal. Mit ein bisschen Rabatt sogar, wenn ich einen guten Tag habe. Dann wäre das ein angemessener Stundenlohn dafür, dass ich mir schon seit einer gefühlten Ewigkeit Ihr dummes Gewäsch anhören muss!
Kunde:
Man unterschreibt doch keinen Kaufvertrag, in dem zwar die Summe, aber nicht der Lieferinhalt aufgeführt ist!
Verkäufer:
Meine Kunden schon!
Kunde:
Ich werde das nicht unterschreiben!
Verkäufer:
Dann ist das Gespräch hiermit beendet. Sie kennen ja den Weg zum Ausgang. Sind ihn auch hierher zum Stuhl gekommen. Einfach zurückgehen und aufpassen bei der Tür. Die ist von innen geschlossen! Nicht, dass Sie sich den Kopf stoßen!
Der Kunde ist das erste Mal verwirrt. Nach einem Moment des Schweigens steht er auf und nimmt die zweitausend Euro aus dem Portemonnaie und legt sie auf den Tisch.
Kunde:
Ich will was verkauft haben!
Verkäufer:
Und ich will Ihnen nichts verkaufen! Versuchen Sie es an der Ecke bei der Pommesbude! Die verkaufen Ihnen sicher eine Currywurst, Pommes rotweiß, und Sie müssen nicht mal zweitausend latzen. Also, Tschüss jetzt. Gehen Sie mir aus der Sonne!
Kunde:
So funktioniert das nicht! Sie haben hier Angebote stehen, die ich annehmen werde. So funktioniert das in einem Kaufhaus! Sie machen Angebote, ich suche mir eins aus und kaufe es! Sie können nichts dagegen machen!
Verkäufer:
Klar kann ich das! Ich sage Ihnen, dass das, was Sie sich aussuchen, leider schon verkauft ist. Wir haben keine Ware im Angebot! Kurze Pause. Wären Sie jetzt so freundlich, Ihr Geld einzupacken und zu verschwinden! Wenn andere Kunden reinkommen, die wirklich was kaufen wollen, dann spüren sie die schlechte Stimmung, die Sie hier verbreiten und gehen dann wieder! Das wäre mir übrigens sehr unrecht – daher Abmarsch!
Der Kunde lässt sich nicht beirren und die zweitausend Euro auf dem Tisch liegen. Er geht durch den Laden und schaut sich die Schlafzimmermöbel an.
Kunde:
Was ist das für ein Bett?
Verkäufer:
Ist ein verkauftes Bett!
Kunde:
Und das hier?
Verkäufer:
Auch verkauft!
Kunde:
Und das?
Verkäufer:
Wollen Sie jetzt wirklich alle Betten durchgehen, um festzustellen, dass kein einziges hier ist, das ich Ihnen verkaufen kann? Würden Sie jetzt endlich meine Stimmung schonen und abdampfen?
Kunde kehrt zum Tisch zurück:
Nein, das werde ich nicht! Ich bleibe solange, bis Sie mir was verkaufen!
Verkäufer:
Der Laden schließt in dreieinhalb Stunden. Wenn Sie so viel Zeit haben, bleiben Sie einfach sitzen. Dann können wir warten, ob Sie nicht doch einen Blankovertrag unterschreiben, sagen wir mit einer Summe von zehn-, fünfzehntausend. Dann würde sich meine Laune deutlich steigern.
Kunde:
Wo soll ich so viel Geld herholen?
Verkäufer:
Kenne ich Ihre Finanzen? Weiß ich, wie viele Kredite Sie laufen haben? Was Sie angespart haben? Ob Sie nicht irgendein Typ sind, der ein Kaufvertrag unterschreibt, um davon zurückzutreten? Das machen wir übrigens nicht. Wir geben keine Kulanz auf Rückgabe. Nur dass das von vorneherein klar ist. Falls Sie sich doch noch umentscheiden und ein ordentliches Bett kaufen wollen.
Kunde:
Ich habe ein ordentliches Bett!
Verkäufer:
Klar! Wenn das so ist – was machen Sie dann noch hier, außer mich anzunerven?
Kunde:
Ich möchte, dass Sie mir was verkaufen!
Verkäufer:
Wie gesagt, das wird nichts! Ersparen Sie uns doch einfach die nächsten sinnfreien Gesprächsfetzen und verlassen Sie den Laden. Das würde uns beiden den Tag retten. Vertrauen Sie mir dabei, ich habe eine riesige Expertise beim Retten von Tagen!
Kunde:
Ach, wirklich?!
Verkäufer:
Ja! Ihrem Kumpel habe ich ja auch den Tag gerettet!
Kunde:
Sie wissen, wer mein Kumpel ist?
Verkäufer:
Das brauche ich gar nicht! Ich kenne den Typen. Verweichlicht, kommt mit seiner Frau, unter deren Fuchtel er steht. Er will eigentlich nichts kaufen, ist pissed und genervt von meiner Laberei. Die Frau ist an mir interessiert, weil ich ein geiler Typ bin, und der Mann denkt sich, was ein Arsch! Aber ein Arsch mit Ahnung, und weil der meine Frau bearbeitet, muss er sich jetzt aus seinem Schneckenhaus hervorwagen und einen Krieg mit mir beginnen, der schneller als gedacht zu Ende ist. Am Ende haben wir vage was abgesprochen, es wird ein Kaufvertrag unterzeichnet und ich kann eintragen, was ich will. Der Gegenstand wird völlig überteuert verkauft, aber weil das immer noch eine richtig gute Qualität ist, ist auch der Kunde zufrieden und schläft in seinem Bett super, weil er entweder wirklich gut schläft oder weil sein Arsch beim Ficken nicht mehr ganz so tief einsackt, wenn die Frau auf ihm reitet. Egal, am Ende ist das eine Win-Win-Situation. Das, was Sie mit mir hier machen wollen, ist Selbstbefriedigung! Und das ist etwas, das mich nervt. Ich will nicht genötigt werden, für was herzuhalten, woran ich keinen Spaß habe. Ich sage Ihnen daher etwas – für unser beider Wohlgefallen: ich sichere Ihnen zu, dass Sie ein Bett erhalten, das einwandfrei ist und auf dem Sie jede Frau glücklich machen, die Sie hineinbekommen. Dafür fülle ich jetzt schnell und dreckig einen Kaufvertrag über fünfzehntausend Euros aus, den Sie unterschreiben. Die zweitausend behalte ich als Vermittlungsprovision, nicht als Anzahlung. Wenn Sie dann unterschrieben haben, fahren Sie nach Haus, sprechen mit Ihrer Bank und überweisen das Geld bis übermorgen.
Kunde sehr verunsichert:
Wann… Wann könnte ich… könnte ich denn dann mit einer Lieferung rechnen?
Verkäufer bewegt sich das erste Mal mit Schwung und klickt ein wenig im Computer an der Seite:
Vermutlich in diesem Jahrtausend noch. Keine Ahnung, solange, wie es halt dauert. Genauer geht es nicht! Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie einmal in dem Bett eingeschlafen sind, werden Sie wissen, dass es die richtige Entscheidung war. Er klickt noch einmal, streckt dann die Hand aus. Meine Provision! Bitte! Der Kunde nimmt den Geldstapel und gibt ihn mechanisch an den Verkäufer. Dieser steckt das Geld weg und zieht ein einzelnes Papier aus dem Drucker hervor. Hier bitte eine Unterschrift! Gibt dem Kunden einen Kugelschreiber, dieser nimmt ihn und unterschreibt den Vertrag. Und jetzt finden Sie ja bestimmt den Weg nach draußen! Einen schönen Tag noch.
Kunde ganz verunsichert:
Bekomme ich kein Vertragsexemplar?
Verkäufer:
Warum sollte ich Ihnen denn einen geben? Sie haben ja nicht vor, irgendwas zu reklamieren! Also bis bald! Vielleicht rufe ich Sie an.
Der Kunde steht wie benommen auf und taumelt auf den Ausgang zu. Das letzte im Stück, das man vernimmt, ist der Ton, der ertönt, wenn die Türe geöffnet wird. Alle ab.

*

© 2023 Christian Knieps
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Versuch sich zu verständigen

Von Michael Wiedorn

A:“ Du willst niemandem sagen, wo du gestern gewesen bist?“
B:“ Warum soll ich daraus ein Geheimnis machen, wo ich gestern war. Ich stand an der Spitze des roten Leuchtturmes und quasselte die Vögel voll. Viele Vögel kennen mich dort aus meiner Kindheit. Meine Eltern nisteten dort.“
A:“ Du hast mir schon oft genug aus deinem Leben erzählt. Die ganze Welt kennt schon deine Lebensgeschichte.“
B:“ Gestern allerdings begegnete ich auf dem Hinweg einem Dobermann und erfuhr, dass Dorfbewohner gesehen haben, dass du gestern früh weit in die Wogen des Meeres geschritten bist, den Kopf in das Wasser getaucht hast und vergeblich versuchst hast als Fisch ins Meer hinauszuschwimmen. Du wolltest weg von uns.“
A:“ Ich gebe zu, dass gestern die Sonne schien und der Himmel blau war.“
B:“ Aber darum geht es nicht.“
A:“ Schau, jetzt regnet es. Hörst du die Tropfen auf das Dach klopfen?“
B:“ Das Meer wird in Wasserströmen und im Orkan wogen und stürmen.“
A:“ Die Vögel werden die sinkende Insel schleunigst verlassen.“
B:“ Da kann ich nur zustimmen.“
A:“ Da es heute weiter regnen wird, werden Bilder erscheinen.“
B:“ Ein junger Polizeibeamter, frisch aus der Polizeischule entlassen, wird einen Psychiatriepatienten, der sich für einen Engel hält, erschießen. Der Polizist, dem ein Engel erschienen ist, muss darauf den Dienst quittieren und in ein Männerkloster eintreten.“
A:“ Ja sicher. Er ist ja männlichen Geschlechts und es ist ihm deshalb verwehrt die Nonnentracht anzulegen.“
B:“ Du bist ja so gebildet und gut informiert wie eine blinde und taube Greisin, die ihre alten Tage vor dem Fernseher totschlägt und nur Nachrichtensendungen und Schulfernsehen sieht. Jeden Tag lerne ich soviel aus den Gesprächen mit dir.“
A:“ Ich verspreche dir, nie wieder über das Meer aus deinen Erinnerungen zu entfliehen.“
B:“ Du wirst mir immer treu ergeben bleiben und der Quell meiner Albträume.“
Beide blicken sich mit entsetzensbleichen Gesichtern an, umarmen sich leidenschaftlich und schmatzen sich gegenseitig in ihre Visagen, bis sie vom Speichel klatschnass sind.
A:“ Heute im Morgengrauen erschien mir wieder der Dobermann im Traum. Seine leer geräumten Augenhöhlen bluteten. Die Vögel -deine Brüder – haben ihm im gerechten Zorn die Augen ausgehackt.“
B:“ Hoffentlich ist er gut versichert. Mit einer guten Pflegeversicherung kann man seinen Lebensabend umsorgt und behütet im Pflegeheim beschließen.“

*

© 2022 Michael Wiedorn
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Alle oder alle?

Von Hans Peter Flückiger

Wenn das so einfach wäre. Protokoll eines Wortwechsels

«Basta! Es ist und bleibt so. Die letzten Zweifel sind ausgeräumt. Wir sind alle im selben Boot.»
«Wirklich?»
«Unwiderruflich.»
«Wie kommen Sie jetzt auf so etwas?»
«Das ist doch offensichtlich.»
«Ein Unfug ist das. Was ist denn mit uns beiden?»
«Was sollte denn mit uns beiden sein?»
«Bei allem Respekt. Wir sind doch nicht alle.»
«Das hat auch niemand gesagt.»
«Also bitte. Unermüdlich behaupten Sie, wir sind alle im selben Boot.»
«Genau. Dazu stehe ich auch.»
«Wollen Sie mich veräppeln?»
«Was soll das jetzt?»
«Pah! Sie und Ihre offensichtlich falschen Behauptungen.»
«Was heisst denn da offensichtlich falsch?»
«Wider besseres Wissen wiederholen Sie gebetsmühlenartig, wir sind alle im selben Boot.»
«Ich bitte Sie. Natürlich sind wir nicht alle, gehören aber dazu.»
«Zu wem?»
«Zu denen im Boot.»
«In dem neben uns noch wer ist?»
«Ach! Der Hinterste und die Letzte natürlich! Von Hinz und Kunz bis Krethi und Plethi. Jeder und jede ohne Ausnahme.»
«Wow – und das im selben einen Boot?»
«Ja, begreifen sie es langsam?»
«Ehrlich gesagt nein. Das muss ja ein riesiges Boot sein.»
«Wollen oder können sie es nicht verstehen?»
«Ach hören Sie doch auf … Ich kann es mir einfach nur nicht erklären. Das Beste ist, sie zeigen mir doch einfach das Boot.»
«Sorry, das geht nun aber wirklich nicht.»
«Nicht? Wieso? Ist es gesunken?»
«Nein, es ist nicht gesunken.»
«Es wäre eine plausible Erklärung.»
«Eine Erklärung? Für was?»
«Na, dafür dass Sie es mir nicht zeigen können. Dafür muss es doch Gründe geben. Es muss doch etwas geschehen sein?»
«Ich bitte sie. Über so etwas macht man keine Witze. Die Situation ist zu ernst. Das kann man drehen und wenden wie man will.»
«Ich weiss, ich weiss. Wir sind alle im selben Boot.»
«Wunderbar! Sie haben es doch verstanden.»
«Das würde ich nicht sagen. Ich versuche nur, es mir vorzustellen.»
«Prima! Phantasie ist immer gut, um Komplexes begreifen zu lernen.»
«Phantasie! Das ist doch unerträglich. Wir drehen uns hoffnungslos im Kreis. Sie behaupten die ganze Zeit, dass wir alle im selben Boot sind.»
«Ich wiederhole mich gerne, wenn es hilft: Ja, so ist es und ich stehe dazu.»
«Mir reicht es. Machen wir Nägel mit Köpfen! Ich will jetzt das Boot sehen!»
«Wenn es Sie auch nervt. Das geht nicht. Weil es sich gar nicht um ein richtiges Boot handelt.»
«Was? Ich fasse es nicht. Kein richtiges Boot? Dann wird es wohl ein „unrichtiges“ sein?»
«Schluss jetzt! „Unrichtige“ Boote. Was für ein Schmarren. Das Boot, von dem ich rede, gibt es nur in der Vorstellung. Es ist aber – sagen wir besser – ein echtes Boot.»
«Ach so! Ein regelrechtes Boot, wie es im Buche steht, aber in keinem Hafen liegt.»
«Gott sei Dank. Endlich scheinen Sie es doch zu kapieren.»
«Ich hoffe es. Ich gehe davon aus, dass das Boot erst geplant ist, es sich also um einen Entwurf handelt.»
«Nein, es handelt sich um keinen Entwurf. Und das Boot wird es so auch nie geben! Was aber nichts daran ändert, dass meine These richtig ist.»
«Wie soll denn das möglich sein?
«Wir sind alle im selben Boot ist eine Allegorie.»
« Al-le-go-rie – jetzt verstehe ich. Es handelt sich um ein fiktives, extraterrestrisches Raumschiff. Die Allegorie, welche mit Hyperspeed durch die Galaxien braust. In einer vierten, fünften oder x-ten Dimension, zu denen wir dreidimensionalen Wesen natürlich keinen Zugang haben. Das ist eine echt starke Geschichte.»
«Ach was Raumschiff! Eine Allegorie ist ein Sinnbild, ein Symbol, ein Gleichnis.»
«Schade. Zu welchem Zweck dient denn diese – eh – Boots-Allegorie?»
«Sie soll uns die Ernsthaftigkeit der Lage vor Augen zu führen.»
«Welche Lage?»
«Alle im selben Boot zu sein. Weil es sonst einmal – vermutlich schon bald – zu spät sein wird.»
«Zu spät? Für was kann es – möglicherweise schon bald – zu spät sein.»
«Für die Einsicht, nicht alles getan zu haben, um unser „gemeinsames Boot“ instand zu halten.»
«Unser „gemeinsames Boot“? Das ist ja schön, ich bin Miteigentümer eines, wenn auch nur fiktiven Bootes.»
«Das ist doch nur eine Beschreibung und gehört zum Szenario der Allegorie. Das „Boot“ gehört uns allen, ist uns allen anvertraut.»
«Ach, und deshalb sind auch alle alle?»
«Wer behauptet den so etwas. Überhaupt niemand ist alle.»
«Aber im selben Boot?»
«Ja. Wir. Gemeinsam.»
«Alle im selben Boot»
«Genau, aber nicht alle.»

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© 2022, Hans Peter Flückiger
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Füürli machen

Von Sandra Engelbrecht

„Du Fränzi, ich kann seit gestern Füürli machen, sogar ohne mir dabei die Finger zu verbrennen.“

„Potztuusig Margrit, Du bist ja ein Sibesiech. Wirklich. Ich hab‘ noch nie ein Füürli gemacht.“

„Was denn, bist ein Schisshas?“

„Nein, nein aber ist ein bitzeli wie mit Glühbirne auswechseln. Oder Bild aufhängen. Der Kurtli macht’s einfach. Ich bügle dafür seine Hämli, schau dass er was Warmes in den Bauch bekommt und stopf ihm die Socken.“

„Ja und wenn der Kurtli vor Dir die Rüebli von unten anglotzt, was machst dann?“

„Also bestimmt kein Füürli! Vielleicht endlich mal das scheussliche Bild von seiner Tante Gretel in den Güsel schmeissen? Und mir die Haare platinblond färben. Und kein Fleisch mehr essen. Und Lindy Hop lernen. Und mir die Lippen chriesirot anmalen. Und mit Dir zwei Stunden am Telefon schwafle. Und in der Badewanne ein Cüpli trinken. Und endlich mal im Ausland Ferien machen.“

„Äh…aber Du bist schon noch glücklich mit Kurtli?“

„Ja, sicher. Der kann ja Füürli machen.“

*

Füürli: Feuer
Potztuusig: Ausruf des Erstaunens
Sibesiech: vielseitig begabte Person
Schisshas: Angsthase
bitzeli: bisschen
Hämli: Hemd
Rüebli: Karotten
Güsel: Abfalleimer
schwafle: plaudern
chriesirot: kirschrot
Cüpli: ein Glas Champagner

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© 2022 Sandra Engelbrecht
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SCHWIMMHALLE

Von Monika Jarju

Kabinengespräch

A: Wie alt ist sie jetzt?

B: Einunddreißig, manchmal ist sie wie ‘ne Neunjährige, aber das ist vielleicht das Russische, die Russen haben da was anderes.

A: Aber das sie jetzt aufgehört hat, mit der künstlichen Befruchtung, ist doch gut.

B: Ja, klar, was sie an Geld dafür ausgegeben haben, dafür könnte sie sich ‘nen Pelzmantel kaufen.

A: Ich hatte mal eine Jacke aus Hund. Wenn ich in den Regen kam, stank das Fell. Hund stinkt, wenn er nass wird.

B: Ich hatte auch mal ’ne Jacke aus Hund, aber gestunken hat die nicht.

A: Ach, das hast du bloß nicht mehr gemerkt!

© 2021 Monika Jarju
Alle Rechte vorbehalten

Humbug

Vom Monika Jarju

A: „Das stimmt nicht!“
B: „Doch!“
A: „Ich war dabei, ich muss es wissen.“
B: „Du warst gar nicht dabei.“
A: „Aber ich kann mich genau erinnern,
du wolltest erst keinen.“
B: „Das bildest du dir bloß ein.“
A: „Nein, ich musste dich lange überreden.“
B: „Pfff!“
A: „Dann haben wir ihn gemeinsam ausgesucht.
B: „Nein, ich habe den Bleistiftanspitzer ganz alleine gekauft!“
A: „Bleistiftanspitzer?“

© 2021 Monika Jarju
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