Barfuß statt auf Kriegsfuß

Von Andreas Kraft aka El-o-quinte

Neulich ist mir ein Flyer von einem Wanderzirkus zugeflogen. Ich war eine halbe Ewigkeit nicht mehr im Zirkus, vermutlich weil ich ständig einen Zirkus um mich herum habe. Lauter Clowns, die versuchen witzig zu sein. Ich hätte gern „Manege frei“, fühle mich jedoch oft wie ein Raubtier in Gefangenschaft, das man zu bändigen versucht. Ich bin gezwungen Biss statt der Zunge zu zeigen und knabbere knirschend an Alltagsproblemen. Mein Naturell geht in diesem Zirkus des Lebens leider unter. Um dem zu entfliehen, gehe ich gerne wandern, natürlich in der Natur.

Denn Tiere, ich zähle Insekten dazu, sind mir näher als Menschen. So viel Körperkontakt wie mit Insekten, hatte ich mit Menschen nicht. Zwei Vertreter dieser Gattung liegen mir besonders am Herzen. Mücken mit ihrem bestechenden Saugrüssel und Schmeißfliegen, die mir das Essen streitig machen. Ich bin kein Selbstbedienungsladen, werde aber nicht gefragt. Das ist eine Zwangshandlung, die mir wiederholt einen Stich versetzt.

Dabei wäre ich gerne frei wie ein Vogel. Wenn ich an Stelle eines Steines, wie das tapfere Schneiderlein einen Vogel in die Luft werfen sollte, müsste ich aufpassen, dass dieser Vogel nicht von Insekten gefressen würde. Wer diese ungleiche Angriffstaktik verfolgt, ist offenbar ein lebender Toter, der nicht begriffen hat, dass sein Platz eigentlich unter der Erde ist, wenn er sich mit Größeren anlegt. Aber dieser Gliederfuß-Zombie verbeißt sich in den Kopf vom Flattermann und frisst das Gehirn. Nicht selten ist der nektarsüße Kolibri bevorzugte Speise oder der noch süßere Honigfresser. Im postmodernen Märchen vom Rotkehlchen ist es nicht der böse Wolf, der die Hauptfigur auffrisst. Kein Wunder, dass die gefiederten Wirbeltiere zunehmend nervöser werden, unabhängig von Starkstrommasten und Windrädern. Wer dieser größenwahnsinnige Gliederfuß ist, wird später im Text aufgelöst. Wer die Spannung nicht aushält, zieht die Schuhe aus und erdet sich auf natürlichem Grund und Boden. Derweil folgen weitere Geschichten aus dem Garten Eden der Natur.

Wenn es das nächste Mal im Zuge einer Plage Frösche vom Himmel regnet, könnte man den grünlich schimmernden Käfer der Gattung Epomis darauf los lassen. Das Insekt wagt sich an die mehrfach größeren Beutetiere. Ich habe nicht für jedes apokalyptische Problem eine Lösung, aber einen Ansatz. Nicht immer logisch, aber in dem Fall biologisch.

Die Jagdszene von diesem David gegen Goliath Naturfilm sei noch schnell aufgezeigt. Es gleicht einem „Sieben auf einen Streich“-Phänomen. Der Täter ist nämlich eine unschuldig anmutende Larve, die nicht mal weglaufen kann. Ein leichtes Opfer auf den ersten Blick. Wenn der Frosch seine klebrige Zunge vorschnellen lässt, um nach der Larve zu schnappen, weicht diese noch blitzschneller aus. Dann springt sie dem Frosch auf den Kopf, verbeißt sich und schlürft als die Krone der Schöpfung das blöde Amphibium hohl. Wer jetzt immer noch nicht an Zombies glaubt, sollte seine Glaubenssätze überdenken.

Die Hierarchie der Nahrungskette lässt sich mit dem folgenden Witz gut verdeutlichen…
Kommt ein Mann mit einem Frosch auf dem Kopf zum Arzt, sagt der Frosch: „Ich bin da in was rein getreten!“

Der Mensch ist also ein Fußabtritt vom Amphibium. Aber auch „Der Froschkönig“ ist ein Ammenmärchen, wie eben gelernt. Der wahre König ist eine Käferlarve.

Mengenmäßig regieren Insekten mit ihrer riesigen Biomasse die Welt, noch. Daher ist Biodiversität so wichtig, auch im Pflanzenreich, dem natürlichen Lebensraum der außenskelettierten Insekten. Leider gehört ein unerhört hoher Prozentsatz zu den aussterbenden Arten. Zu unserem Bedauern trifft das selten auf Schädlinge zu, da helfen wir Menschen nach. Wie gravierend das Insektensterben ist, lässt sich in der zweitstärksten Volkswirtschaft der Welt beobachten. Denn in China werden große Obstplantagen inzwischen mit einem Staubwedel von Hand bestäubt. Eine Sisyphus-Arbeit in Anbetracht der großen Bevölkerung, die mit der Frucht der Erkenntnis ernährt werden soll (oder auch nicht). Geldscheine kann man eben nicht essen. Wie wär‘s mit der Betrachtungsweise, dass Geld ein Werkzeug ist, Gutes zu tun? Statt in Massenvernichtungswaffen zu investieren, das Masseninsektensterben verhindern zum Beispiel.

In der verwerflichen Welt der Münzen und Moneten zählt leider weiterhin die Zahl, weswegen nicht nur Rubel, sondern auch Köpfe rollen. Beim Fest der Liebe ist eben diese tiefe Emotion im Zuge der Feier-Evolution am aussterben. Dafür ist die Konsum-Revolution eingeschlagen wie eine Atombombe. „Hasst du was, bist du Wer-Wolf!“, heißt es. Mit der aussterbenden Liebe sind sowieso nur noch einsame Wölfe oder bloß Einsame unterwegs. Pärchen sind eher vereinzelt anzutreffen. Und dennoch steigt die Bevölkerungszahl. So ein surreales Paradoxon bekommt nur der SCHEINgeniale homo sapiens hin. Wie kann das SEIN? Der Horror wird früher oder später ein Ende haben. Katastrophen biblischen Ausmaßes suchen die Menschen heute schon heim. Vielleicht muss man den Maya-Kalender wie die Sommerzeit einfach nachstellen, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Zurück zur Natur!

„Menschenleben vor Tierleben“ lautet eine in Blech gefahrene Weisheit aus der Fahrschule. Doch ohne Menschenleben gäbe es auf der Erde viel mehr Tierleben und einen selbstregulierenden Kreislauf der Bestände. Ich hatte die natürliche Nahrungskette bereits erwähnt. Wir sollten uns dessen bewusst werden, dass wir nichts anderes als Tiere sind. Der evolutionäre Vorteil „Bewusstsein“ schützt evident nicht vor niederem Instinktverhalten oder grenzenloser Dummheit. Diese Weisheit hätte man schon in der Einsteinzeit in die hohlen Köpfe meißeln sollen.

Trotz der Gehirnvergrößerung Dank dem Feuer und der Horizonterweiterung des Bewusstseins durch die Erkenntnisse vergangener Jahrtausende, lebt der Mensch relativ in der Steinzeit. Das Reptilien-Hirn, wenn nicht sogar das Amphibien-Hirn spielt ihm einen Streich. Instinkte schlängeln sich reflexartig am Großhirn vorbei oder sie korrumpieren bestechenderweise den Thalamus, das „Tor zum Bewusstsein“, so dass das Denk- und Lenkorgan nichts von den Missständen in seiner Umwelt mitbekommt. Steuern etwa Instinkte wie ÜberLEBEN und FortPFLANZEN nach wie vor unseren Kleingeist? Ganz bestimmt! Aber seit wann gehört zu den humanen Instinkten das Töten? Es sollte laut einem Bibelgebot unterdrückt werden können.

Um bei der Bibel zu bleiben und die erlösende Auflösung zu offenbaren: Es sind Gottesanbeterinnen, die nicht nur Vögel fangen, wie anfangs geschildert, sondern auch Eidechsen. Letztere sind schuppenkriechende Beutetiere, die mit Schlangen artverwandt sind. Ein Angriff durch Gottesanbeter ist also nicht abwegig. Manche scheinheilige Gottesanbeter haben schon in der Vergangenheit anderskriechende angegriffen, die ritterliche Kreuzspinne ist mein Zeitzeuge.

Der Kampf zwischen Gut und Böse ist noch nicht ausgefochten. Es wird immer schwieriger zu unterscheiden, wer Wer-Wolf ist oder durch den Fleischwolf gedreht werden sollte, wer das gute Raubtier, wer das böse Beutebiest ist? Die zwiespältige Doppelmoral bröckelt, genau wie unser irrsinnigerweise geglaubter Platz 1 an der Spitze der Nahrungskette.

Paralleluniversum!

Der homo sapiens ist Eidechsen ähnlicher als man vermuten würde. Er hat ebenfalls trockene Hautschüppchen, fünf Finger, atmet durch die Lunge, trinkt (über das Oktober-Maß hinaus), reagiert mit seinem archaischen Reptilien-Hirn über oder aalt sich hirnlos in der sengenden Sonne, bis der Hautkrebs zuschnappt. Im irdischen Krebsnebel regnet es leider keine Sterne vom Himmel, gelegentlich plagende Frösche. Letztere genießen Schuppenfreiheit, nehmen unterstützend zur Lungenatmung Sauerstoff mit der Haut auf, absorbieren Wasser über die selbige. Zum Abschied winken die Plagegeister mit vier Zehen am Vorderfuß. Vermutlich fehlt dem Amphibium der evolutionär gewachsene Mittelfinger.

Wer Eidechsen und Salamander für Verwandte hält, den muss ich leider enttäuschen. Erstere sind Reptilien wie Krokodile und Schlangen, zweitere sind Amphibien wie Frösche und Molche. Evolutionstheoretisch haben sich Reptilien aus Amphibien entwickelt. Aus vier Vorderzehen wurden fünf, aus einem Salamander wurde gendertransformiert irgendwann eine Eidechse, das war der Lauf des Lebens vor über 315 Millionen Jahren. Zwischendurch starben die Dinosaurier aus, höhere Gewalt. Dann kam der Mensch und diverse andere Spiel-Arten. Seit dem fällt der Schildkröte ein Reptilien-Ei aus der Windhose.

Die frohe Botschaft oder die schlechte Nachricht zuerst? Ich fange mal optimistisch an, die Riesenschildkröten auf Galapagos sind nicht mehr akut vom Aussterben bedroht. Und nun der abgebrochene Zehennagel, rund die Hälfte aller Schildkrötenarten muss um ihren Fortbestand fürchten. Wer hat diese verhängnisvolle Rote Liste überhaupt aufgestellt? So haben wir den Tod ständig vor Augen, das drückt auf die Stimmungsdrüse. Man verzeihe mir den Sarkasmus.

Allez Hopp! Alle hops? Der Mensch als aussterbende Tierart? Die Menschlichkeit ist in jedem Fall selten geworden.

Zurück zum Ursprung. Ein mutiger Clown, der Abend für Abend eine Dompteur-Nummer mit gezähmten Tigern abgezogen hatte, kam den Tieren zu nahe. Ein ungestiefelter Großkater schnappte zu. Sieben auf einen Streich! So viele Finger sind in des Tigers Maul gelandet. Es hätte ein fast perfekter Sonntag werden können. Glück im Unglück, der Clown hatte nicht seinen alkoholisierten blauen Kopf zwischen die Kiefer vom Raubtier gesteckt. Dieses vertrauensvolle Kunststück sollte nämlich folgen. Eine Schnapsidee!

Ich denke der Pechvogel hat seine Lektion gelernt. Wilde Tiere in Gefangenschaft sind unberechenbar, Raubtiere lassen sich nicht domestizieren. Nutztiere sind nicht zum Ausnutzen da. Tiere sind ein Teil der Natur, genau wie wir. Jeder Clown auf diesem Planeten sollte das inzwischen begriffen haben, sonst kriegen wir von der Natur bald nur noch den Mittelfinger zu sehen.

Hochmut kommt vor dem Sündenfall, lieber Mensch. Gott stehe uns bei!

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